Dienstag, 19. Februar 2019

Und danke für den Fisch.


Wenn Sie einen Bio-Supermarkt wie Denn’s oder Alnatura betreten, dann gehen Sie doch ganz selbstverständlich davon aus, dass die Produkte, die Sie dort erwerben, bio sind, oder? Kontrolliert und zertifiziert. Mindestens mit dem EU-Biosiegel ausgezeichnet. Das Gemüse aus ökologischer Landwirtschaft, das Fleisch aus artgerechter Haltung. Sollte man meinen. Im Wesentlichen ist das natürlich auch der Fall. Wenn man aber genauer hinsieht, finden sich Produkte in den Sortimenten, die keineswegs „bio“ sind. Bei Fisch ist das der Fall.

In den Bio-Märkten finden Sie beispielsweise tiefgekühlten Kabeljau eines Anbieters, der mit Bio und Nachhaltigkeit wirbt, dessen Fisch Sie aber auch in konventionellen Supermärkten wie REWE kaufen können. Da gibt es beispielsweise das Kabeljau-Filet „in Bio-Panade“. Das heißt: Die Panierung ist bio, der Fisch aber nicht. Der Fisch ist MSC [1]-zertifiziert (also aus nachhaltigem Fischfang), aber nicht bio-zertifiziert. Das ist zumindest fragwürdig. Es gibt von diesem Anbieter aber auch unpanierte Kabeljau-Filets, also den Fisch pur. Der ist nun überhaupt nicht mehr „bio“. Was hat der in einem Bio-Markt zu suchen? Nichts.

MSC-zertifizierten Kabeljau gibt es auch in jedem konventionellen Supermarkt und inzwischen sogar bei Discountern. Und zwar für etwa die Hälfte des Kilopreises wie bei diesem Anbieter im Biomarkt. 

Wer also im Bio-Supermarkt Kabeljaufilet für 20 Euro pro Kilo kauft und nicht den ebenfalls MSC-zertifierten Kabeljau bei NETTO für 10 Euro, kauft für zehn Euro Fisch und zahlt 10 Euro nur für das (falsche) Bio-Feeling obendrauf. Es ist derselbe Fisch.

Ganz ähnlich verhält es sich mit Thunfisch aus der Dose, der ebenfalls in Bio-Supermärkten verkauft wird. Nur wer genau hinschaut, stellt fest, dass in dieser Dose nur das Öl bio ist – der Fisch nicht. Das hat einen einfachen Grund: Ein Thunfisch ist ein ziemlich großer Fisch, der weit draußen im Meer schwimmt, und alles frisst, was ihm vor die Kiemen kommt. Auch jede Menge Dreck. Zum Beispiel das Plastik, das wir in die Meere schmeißen. Deshalb ist es unmöglich, die Ernährung von Thunfisch zu kontrollieren. Deshalb gibt es keinen Bio-Thunfisch.

Fisch kann nur das Bio-Siegel erhalten, wenn man seine Ernährung kontrollieren kann. Das funktioniert in der Regel nur in Aqua-Kulturen, also abgegrenzten, küstennahen Bereichen oder speziellen Zuchtbecken. Das geht mit Lachs, aber nicht mit Thunfisch. Darum gibt es zwar Thunfisch aus nachhaltigem Fischfang, aber keinen „Bio-Thunfisch“.

Die Unterscheidung mag man für pingelig halten, aber es ist ein wichtiger Unterschied, wenn mit „bio“ geworben wird oder vermeintliche Bio-Produkte entsprechend teuer verkauft werden. Wenn das dann nicht stimmt, ist es Verbrauchertäuschung.

Und so landet dieser vermeintliche Bio-Thunfisch auch gerne mal auf dem Salat von Bio-Restaurants, weil sie ihn ja im Bio-Markt gekauft haben. Die kleinen Symbole, mit denen zum Teil an der Kühltruhe – immerhin – oder im Kleingedruckten der Thunfisch-Dose darauf hingewiesen wird, sorgen kaum für die erforderliche Transparenz.

Nicht wirklich besser ist allerdings, dass es zertifizierten Bio-Fisch gibt, der völlig überflüssig ist: Pangasius. Diese Zuchtflosse stammt fast immer aus Vietnam, wird zu uns also rund 10.000 Kilometer um den Globus verschifft. Die Klimabilanz ist bescheuert. Und er schmeckt nach nichts. Diesen Bio-Fisch braucht kein Mensch.

Bio-Fisch ist also eine komplizierte Angelegenheit. Mein Vorschlag: Wenn Sie Fisch mögen, kaufen Sie entweder Lachs aus ökologischer Aquakultur oder eben einen MSC-zertifizierten Fisch aus nachhaltigem Fischfang. Am besten geangelt und nicht aus dem Schleppnetz.

Aber lassen Sie sich nicht von angeblichem Bio-Fisch einfangen, der gar kein Bio-Fisch ist. Denn der ist einfach nur eines: zu teuer.


[1] MSC: Marine Stewardship Council.
https://www.msc.org/de/ueber-uns/msc-zertifizierungskriterien


Mittwoch, 22. August 2018

Der Bio-Bluff bei ALDI & Co.


Der Lebensmitteldiscounter ALDI vergrößert derzeit auffällig sein Bio-Sortiment. Und zwar nicht bei den üblichen, allgemein beliebten (Fertig-) Produkten, sondern gezielt auch bei speziellen Zutaten, die man bisher eher nur im spezialisierten Naturkostfachhandel oder Bio-Märkten wie Alnatura kaufen konnte, beispielsweise Bio Chia-Samen oder Bio Quinoa.

Die Strategie der Discounter: Dem Naturkost-Fachhandel das Wasser abgraben.


Nach eigenen Angaben geht es ALDI darum, dass „der komplette Wocheneinkauf in Bio-Qualität immer möglich (ist) und das zu einem Preis, der für jedermann erschwinglich ist.“ [1] Das ist eine Kampfansage. Und eine perfide Marketingstrategie. Denn der/die durchschnittliche ALDI-Kunde/Kundin hat natürlich keinerlei Interesse an Chia-Samen. Er oder sie kauft dort in der Regel Eier, Milch und Butter in bio, manchmal vielleicht auch die Zucchini, die Würstchen für die Kinder oder die Nackensteaks für den Grill. Alles schön billig, alles bio. Kann man verstehen.

Aber warum Chia-Samen? Die Strategie dahinter ist, den bio-affinen Kundinnen und Kunden (wohl in erster Linie Müttern und Vätern) ein Angebot vorzugaukeln, das den Weg zum Biomarkt erspart und damit Kaufströme umzulenken. „Für alle Bio-Fans wird ALDI SÜD zum Bioladen“, schreibt das Unternehmen in einer Pressemitteilung. [2] Das ist frech, aber erfolgversprechend.

„Schatz, ich war bei ALDI, um Klopapier und Kaffee zu kaufen, und da habe ich dir auch noch die Chia-Samen mitgebracht.“ Das ist der Plan.

Nach eigenen Angaben ist ALDI Marktführer beim Umsatz mit Bio-Produkten und beruft sich dabei auf Daten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Gegenüber dem Magazin „Öko-Test“ mochte ALDI allerdings keine konkreten Zahlen herausrücken [3]. Aber es könnte durchaus stimmen, wenn man einfach nur den gesamten Umsatz mit Bio-Produkten betrachtet. Die pure Masse macht’s.

Aber was ist mit der Vielfalt der angebotenen Bio-Produkte?

Aldi Süd stockt laut Öko-Test seine Artikel mit Bio-Siegel auf 310 auf, Aldi Nord auf 350. Zum Vergleich: Alnatura bietet derzeit nach eigenen Angaben etwa 6.000 Bio-Produkte an, Dennree verkauft rund 12.000. [3] Alleine daran sieht man: Der Versuch von ALDI, sich allen Ernstes als „Bioladen“ zu verkaufen, ist einfach nur ein großer Bluff.

Es ist die Strategie der Ketten und Discounter, den Naturkosthandel überflüssig zu machen. Edeka macht dasselbe. Auf diese Weise besetzen Discounter Nischen, die bisher von einer eigenen Branche bedient wurden, nämlich der Naturkost-Branche.

Was die Supermärkte und Discounter jedoch nicht kopieren können, ist die Beratung im spezialisierten Naturkosthandel. Fragen Sie mal im NETTO, wo die Bio-Gurke herkommt.

Und lassen Sie sich nicht von Schnäppchenpreisen blenden. Denn wenn Sie mal genau auf das Sortiment und die Preise schauen, werden Sie feststellen, dass die kleinen Bioläden keineswegs teurer sind als die Discounter und Supermärkte mit ihren Reklamepreisen.

Im Laden einer Bioland-Gärtnerei aus der Region haben wir über Monate Möhren zu einem unschlagbaren Preis einkaufen können, weil sie aus deren eigener Erzeugung stammten. Kein Discounter, kein Supermarkt kam da preislich mit.

Man muss genau hinsehen.

[1] https://unternehmen.aldi-sued.de/de/presse/pressemitteilungen/produkte/2018/pressemitteilung-aldi-fuellt-die-regale-jetzt-noch-mehr-auswahl-an-bio-produkten/
[2] https://www.aldi-sued.de/de/sortiment/bio/
[3] https://www.oekotest.de/essen-trinken/news/Bio-Lebensmittel-Aldi-Deutschlands-fuehrender-Bio-Haendler_600168_1.html


Dienstag, 26. Juni 2018

Streichfähiges Wasser


Die Wurstfabrik „Rügenwalder Mühle“ will bis 2020 rund 40 Prozent ihres Umsatzes mit vegetarischen bzw. veganen Produkten machen. 2017 machten vegetarische Produkte bereits rund 25 Prozent des Umsatzes aus. „Wir sind davon überzeugt, dass vegetarische/vegane Alternativen mehr als ein Trend sind und weiter an Bedeutung gewinnen – vor allem auch vor dem Hintergrund der immer drängender werdenden Klimaproblematik“, sagt „Rügenwalder“-Geschäftsführer Godo Röben [1].

Das könnte man jetzt begrüßen.

Wer allerdings glaubt, auch sich selbst Gutes zu tun, indem er/sie auf die vegetarischen oder veganen Fleischersatzprodukte zurückgreift, der sollte mal einen Blick auf die Zutatenliste dieser Produkte werfen. Denn um diesen Kunstprodukten irgendwie Geschmack und das vertraute Fleisch-Feeling zu geben, greift die Lebensmittelindustrie tief in die Trickkiste.

So enthält die vegane „Pommersche“ (Leberwurst-Imitat) insgesamt 15 verschiedene Zutaten (Schnittlauch der Vergleichbarkeit halber mal nicht mitgezählt), darunter - im Gegensatz zu der „echten“ Leberwurst – auch zugesetzte Aromen und Farbstoff. Aber das Beste ist: Die an erster Stelle genannte Zutat ist: Wasser.

Mit anderen Worten: Diese vegane Leberwurst ist streichfähiges Wasser mit Wurstaroma und Farbstoff.

Streichfähiges Wasser: Vegane Leberwurst. (Fotoquelle: Hersteller)


Das gleicht dann nämlich den Anteil von 73% Schweinefleisch und Leber aus, der in der „echten“ Leberwurst enthalten ist. Die kommt immerhin noch auf 11 Zutaten, neben Fleisch, Leber und Speck also acht.

Fleisch, aber ohne Aromen und Farbstoff (Fotoquelle: Hersteller)


Zum Vergleich: Eine Bio-Leberwurst (Ökoland) kommt neben Fleisch/ Leber und Speck gerade einmal mit fünf weiteren Zutaten aus, und das sind Sahne, Salz, Gewürze, Rohrzucker und Dextrose. Ja, über die letzten beiden könnte man maulen, aber ansonsten ist das eine ehrliche Wurst, nach Bioland-Kriterien produziert. Tiere in lebenswerter Haltung. Das ist erheblich besser als industriell versaute Ersatzprodukte.

Ehrliche Wurst. (Bildquelle: oekoland.de)


Mit aromatisiertem, streichfähigen Wasser lässt sich natürlich trefflich Geld verdienen. Und die „Rügenwalder Mühle“ dürfte sich freuen, dass so viele Kunden auf ihren Veggie-Trick hereinfallen. Ob das allerdings wirklich fruchtet, ist zumindest fraglich. Denn immerhin sank der Umsatz der „Rügenwalder Mühle“ in 2017 – trotz Veggie-Offensive - um rund drei Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr.


[1] http://www.haz.de/Nachrichten/Wirtschaft/Niedersachsen/Wursthersteller-Ruegenwalder-Muehle-will-vegetarischer-werden


Sonntag, 24. Juni 2018

„Ohrfeige mit Ansage“


Zu viel Nitrat im Boden: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat vergangene Woche entschieden, dass Deutschland über Jahre hinweg zu wenig gegen eine Überdüngung der Landwirtschaft mit Gülle und die daraus folgende Verunreinigung des Grundwassers mit Nitrat unternommen hat [1]. Besonders in Niedersachsen gerät die Politik dadurch unter Druck. Strafzahlungen drohen.

„Die Verurteilung Deutschlands durch den Europäischen Gerichtshof ist eine Ohrfeige mit Ansage für die deutsche Landwirtschaftspolitik“, sagt Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft [2]. „Das Urteil bestätigt die bisherigen Einschätzungen der Wasserwirtschaft. Im Unterschied zu anderen EU-Mitgliedstaaten ist die EU-Nitratrichtlinie in Deutschland auch 25 Jahre nach Inkrafttreten nicht umgesetzt worden. Auf den permanenten Bruch europäischen Rechts kann in Deutschland niemand stolz sein“.

Nitrat in Gewässern (und im Grundwasser) stammt zumeist aus Gülle in der Landwirtschaft. Der Stoff ist wichtig für das Pflanzenwachstum. Aber wenn zu viel gedüngt wird, sammeln sich Rückstände an. So entsteht giftiges Nitrit. Besonders in Regionen mit Massentierhaltung fällt mehr Gülle an, als die Pflanzen auf den Feldern aufnehmen können. In Niedersachsen bekommt vor allem die Region Weser-Ems die Belastung des Grundwassers nicht in den Griff [3]. Gerade einmal zwei Prozent (!) der Oberflächengewässer in Niedersachsen erreichen nach Angaben des jüngsten Nährstoffberichts des Landes die EU-Vorgaben [4]. Das ist haarsträubend.

Und wie reagieren die Verantwortlichen? Sie tun – nichts.

Denn das Urteil des EuGH bezieht sich – wie praktisch –  auf Versäumnisse vor 2014. Darauf reden sich jetzt der Bauernverband, Landvolk, Agrarministerin Julia Klöckner (CDU), ihre niedersächsische Amtskollegin Otte-Kienast (CDU) und andere heraus. Sie verweisen darauf, dass ja seit vergangenem Jahr hierzulande ein neues Düngerecht gilt, das alles besser mache. Man solle doch jetzt erst mal abwarten, dass das neue Recht Wirkung zeige, heißt es.

Umweltschützern stinkt's: Überdüngung mit Gülle (Fotoquelle SPIEGEL.DE)


Experten sind da allerdings gänzlich anderer Meinung. Der Kieler Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube sagte dem SPIEGEL [5]: „In der Summe bringt das aber keine Veränderungen. Es gibt dort fast überall weiche Formulierungen, die Auflagen werden nie konkret; selbst eine dreifache Überschreitung der Grenzwerte lässt sich mit etwas Geschick schönrechnen.“ Die schlimmste Sanktion, so Taube, sei, dass der Landwirt sich beraten lassen müsste. Und dann habe er wieder seine Ruhe. „Ein stumpfes Schwert“, so sein Fazit zur neuen Düngeverordnung.

Man beachte: Das neue Düngerecht schreibt unter anderem größere Behälter vor, damit die Bauern „die Gülle nicht nur aus Platzmangel“ [6] auf die Felder bringen. Agrarexperte Tauber: „So haben viele Landwirte während der aktuell herrschenden Trockenheit munter weitergedüngt, als könnten sie in diesem Jahr Höchsterträge erwarten. Damit werden die Nitratüberschüsse im Grundwasser noch mehr steigen.“

So ist es nur eine Frage der Zeit, bis es die nächste Klage der EU-Kommission gibt. Und das nächste EuGH-Urteil.

Bis dahin sickert das Nitrat weiter in den Boden und bedroht das Trinkwasser. Fließt weiter in die Meere und führt dort zu Algenpest. Oder gelangt als Ammoniak oder Lachgas in die Atmosphäre. „Lachgas ist ein extremes Klimagas“, sagt Agrarwissenschaftler Taube, „300-fach wirksamer als Kohlendioxid.“ Allein in Deutschland entstünden durch diese Überdüngung pro Jahr Schäden in Höhe von fünf Milliarden Euro.

Nein. Wir können nicht mehr länger abwarten.


[1] https://www.tagesschau.de/inland/nitrat-eugh-103.html
[2] https://www.bdew.de/presse/presseinformationen/deutschland-drohen-milliarden-strafzahlungen/
[3] http://agrarwende.de/massentierhaltung.html
[4] https://www.ml.niedersachsen.de/themen/landwirtschaft/ue_pflanzen_und_duengemanagement/naehrstoffbericht/naehrstoffbericht-132269.html
[5] SPIEGEL, # 26/2018, S. 99
[6] Hannoversche Allgemeine Zeitung, 22.6.18, S. 1


Dienstag, 19. Juni 2018

Mutlos


Gestern war der „Tag der nachhaltigen Gastronomie“, ausgerufen von den Vereinten Nationen [1]. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat aus diesem Anlass dazu aufgerufen, beim Essengehen die Reste einpacken zu lassen, damit keine Lebensmittel weggeworfen werden müssen. Denn: „Jedes Lebensmittel, das wir wegwerfen, ist eins zu viel.“ [2] Das ist fraglos richtig. Und ja, richtig ist sicherlich auch, dass die Gastronomie ein Bewusstsein entwickeln muss, etwas gegen die Verschwendung von Lebensmitteln zu unternehmen.



Nur leider ist das überhaupt nicht das Problem.

Denn: Sich die Reste eines leckeren Essens einpacken zu lassen, das ist in sehr vielen Lokalen längst üblich – und übrigens ja auch immer ein Kompliment an die Küche. Denn wer nimmt schon den Rest der Burger-Pommes-Pampe bei der Fastfoodkette mit nach Hause. Das entsorgt man im Rausgehen im Mülleimer. Das sagt ja alles über die Wertschätzung für das Essen.

Wer es mit Nachhaltigkeit in der Gastronomie ernst meint, müsste gegen diese Missstände vorgehen:
  • XXL-Schnitzel
  • All-you-can-eat-Buffets
  • Speisenkarten mit 125 Positionen drauf
  • 24/7-open-Restaurants
  • To-go-Verpackungen aus Alu und Styropor

Und er müsste gegen das vorgehen, was derlei fragwürdige Angebote überhaupt erst möglich macht: Massentierhaltung und industrielle Landwirtschaft. Denn das macht es wiederum Gastronomen möglich, ein Angebot vorzuhalten, von dem sie vorher schon wissen, dass sie einen großen Teil davon wegschmeißen müssen, und sie machen trotzdem noch ihren Schnitt. Kostet ja nix. Aber der Gast hat eine schön große Auswahl auf der Karte. Das ist falsch.

Hier versucht eine Landwirtschaftsministerin, mit Nachhaltigkeitsrhetorik ein grünliches Wählerspektrum zu umgarnen, ohne auch nur irgendetwas wirklich zu ändern. Wie schon beim „Tierwohl-Label“. Das passt perfekt zur Politik der Kanzlerin.

Wer wirklich etwas ändern will, muss sich leider mit denen anlegen, die davon profitieren, dass die Dinge so sind, wie sie sind.

Alles andere ist einfach nur mutlos.

[1] http://www.un.org/en/events/sustainablegastronomy/
[2] https://twitter.com/bmel/status/1008587728731213824



Sonntag, 20. Mai 2018

Summ, summ.


Zum heutigen „Weltbienentag“ summt es gewaltig bei Twitter & Co. Naturschutzverbände und Organisationen aller Art, Initiativen und Bundesministerien übertrumpfen sich mit Tipps und Hinweisen zum Schutz der wertvollen Bestäuber.

Im Vorfeld hat auch die Supermarktkette REWE ihren Beitrag geleistet. Ein zur REWE Group gehörender PENNY-Markt in Langenhagen bei Hannover hat in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion einfach mal über Nacht alle Produkte aus den Regalen geräumt, die ohne Bienen nicht mehr zu kaufen wären. Beeindruckendes Ergebnis: 60 Prozent leere Regale. Der Naturschutzbund NABU ist an dieser PR-Aktion beteiligt. Und benennt die Verantwortlichen:
"Schuld daran ist vor allem die industrielle Landwirtschaft", sagt Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Pestizide wie Glyphosat, fehlende blühende Ackerrandstreifen und Brachflächen - all das töte Bienen direkt oder biete ihnen weder Nahrung noch Unterschlupf. "Obwohl doch grade die Landwirtschaft der größte Nutznießer der Bienen und Bestäuber-Insekten ist." [1]

PR-Aktion: PENNY ohne Bienen



Ergebnis der REWE-Aktion: Ein paar verwirrte Kunden zwar, aber viel Applaus online und eine gute Presse. Und natürlich wurden alle Produkte dann schnell wieder in die Regale geräumt. Noch fliegen ja die Bienen, alles halb so wild.

Ich kann mir nicht helfen, aber für mich sieht das so aus, als würde ein Feuerwehrmann einen Brand löschen, den er selber gelegt hat.

Liebe REWE-Marketingabteilung: Das Bienensterben kann man in euren PENNY-Märkten tagtäglich kaufen: Billig-Obst und -Gemüse aus Glyphosat-optimierter Landwirtschaft. Und die Einkaufspolitik der Ketten wie Edeka, REWE, Aldi, Lidl & Co. ist nicht unbedingt dafür bekannt, den Erzeugern faire Preise anzubieten.

PENNY-Alltag: Bienensterben zum Kaufen


Da drangsalieren die Supermarkt-Ketten und Discounter die landwirtschaftlichen Erzeuger also dauerhaft mit Preis-Dumping, um ihre Gewinnmargen zu optimieren, und dann treten sie der Landwirtschaft, von der sie so sehr profitieren, bei einer Bienenschutz-PR-Aktion mal eben mit Anlauf in den Hintern. Ich mag mich irren, aber es könnte Landwirte geben, die das nicht verstehen.

Die ganze Aktion ist übrigens bei der US-Biomarktkette Whole Foods Market (gehört seit 2017 Amazon) geklaut, die das schon 2013 gemacht hat [2].

Der einfachste Beitrag, etwas gegen das Bienensterben zu unternehmen, ist Bio-Gemüse zu kaufen. Denn der Öko-Landbau ist die Landwirtschaft, in der Bienen (und andere wichtige Bestäuber und Insekten) natürlich leben können. Statt flächendeckend abgerodeter und kaputtgespritzter Anbauflächen für das Billig-Gemüse im Discounter.

Niemand muss Hobby-Imker werden, um Biene Maja zu retten. Einfach nur: Augen auf beim Gemüsekauf.

[1] http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/bienensterben-penny-aktion-in-hannover-so-leer-waere-ein-supermarkt-ohne-bienen-a-1207703.html
[2] https://media.wholefoodsmarket.com/news/bees


Donnerstag, 17. Mai 2018

Männer am Grill


Mein Haus, mein Auto, meine Yacht, meine Uhr… Hm. Und was noch? Bevor Männern ihre Statussymbole ausgehen, hätten wir noch im Angebot: Mein Grill.

Mit dem schnöden Dreibein-Schwenkgrill für 29,95 € aus dem Baumarkt kann man vielleicht noch die Kinder bespaßen, aber natürlich nicht Nachbarn und Freundeskreis angemessen beeindrucken. Wenn man das will. Unter dem schwarzglänzenden Kugelgrill der angesagten Marke für, sagen wir, 150 bis 200 Euro geht ja heute gar nix. Und das ist nur der Anfang. Man kann auch locker fast 15.000 Euro für einen Grill ausgeben. Das ist dann aber auch kein „Grill“ mehr, sondern mindestens eine „Outdoor Cooking Station“. Mein Auto hat deutlich weniger gekostet.

Ein echtes Schnäppchen: Grill für 14.000 Euro. 


Und was liegt dann drauf, auf diesen High End Grills? Meistens billigstes Schweinefleisch aus Massentierhaltung, ertränkt in öliger Ketchup-Marinade, mit totgetrockneten Kräutern, von der Supermarkt-Theke, 3,99 € das Kilo. Gleich daneben die elende Hähnchenbrust aus Hybrid-Züchtung. Guten Appetit!

Ich kann mich an Partys erinnern, wo viel über Grills geredet wurde, aber nie über das Fleisch, das darauf lag. Übrigens stand da nie eine Frau am Grill. Und nie redete eine Frau über einen Grill. Männer reden über ihren Grill. Wie über ihre Autos. Oder ihre Frauen. Derweil reden die Frauen (in der Küche) über ihre Kinder. Manchmal auch über ihre Pferde. Grillen kann ziemlich merkwürdig sein.

Die Frauen, soweit eher fischig oder vegetarisch unterwegs, begnügten sich dann an solchen Grillabenden mit dem Lachsfilet aus der Alufolie oder dem Gemüsespieß, so es ihn gab, je nach Gewohnheiten der Gastgeber. Da stimmt was nicht.

Ich sage mal so: Wenn wir für Veranstaltungen ein Grillbuffet anbieten, dann ist unser Arbeitsgerät ein ganz schlichter Gasgrill, der in der Anschaffung nicht mehr als 150 € kostet und sehr langweilig aussieht. Arbeitsgerät halt. Das Fleisch auf dem Grill kostet dann allerdings ziemlich viel, weil es aus Bioland-Betrieben mit lebenswerter Tierhaltung stammt. Ich finde, das ist so genau richtig. Und nicht umgekehrt.

Und für zuhause ist der alte, angerostete Dreibein-Schwenkgrill deshalb so klasse, weil man ihn auch über ein ausglühendes Lagerfeuer stellen kann. Darum herum gestalten dann auch pubertierende Kinder die schönsten Gartenpartys. Grillen kann echt Spaß machen mit einem Grill für 29,95 €.