Mittwoch, 22. August 2018

Der Bio-Bluff bei ALDI & Co.


Der Lebensmitteldiscounter ALDI vergrößert derzeit auffällig sein Bio-Sortiment. Und zwar nicht bei den üblichen, allgemein beliebten (Fertig-) Produkten, sondern gezielt auch bei speziellen Zutaten, die man bisher eher nur im spezialisierten Naturkostfachhandel oder Bio-Märkten wie Alnatura kaufen konnte, beispielsweise Bio Chia-Samen oder Bio Quinoa.

Die Strategie der Discounter: Dem Naturkost-Fachhandel das Wasser abgraben.


Nach eigenen Angaben geht es ALDI darum, dass „der komplette Wocheneinkauf in Bio-Qualität immer möglich (ist) und das zu einem Preis, der für jedermann erschwinglich ist.“ [1] Das ist eine Kampfansage. Und eine perfide Marketingstrategie. Denn der/die durchschnittliche ALDI-Kunde/Kundin hat natürlich keinerlei Interesse an Chia-Samen. Er oder sie kauft dort in der Regel Eier, Milch und Butter in bio, manchmal vielleicht auch die Zucchini, die Würstchen für die Kinder oder die Nackensteaks für den Grill. Alles schön billig, alles bio. Kann man verstehen.

Aber warum Chia-Samen? Die Strategie dahinter ist, den bio-affinen Kundinnen und Kunden (wohl in erster Linie Müttern und Vätern) ein Angebot vorzugaukeln, das den Weg zum Biomarkt erspart und damit Kaufströme umzulenken. „Für alle Bio-Fans wird ALDI SÜD zum Bioladen“, schreibt das Unternehmen in einer Pressemitteilung. [2] Das ist frech, aber erfolgversprechend.

„Schatz, ich war bei ALDI, um Klopapier und Kaffee zu kaufen, und da habe ich dir auch noch die Chia-Samen mitgebracht.“ Das ist der Plan.

Nach eigenen Angaben ist ALDI Marktführer beim Umsatz mit Bio-Produkten und beruft sich dabei auf Daten der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Gegenüber dem Magazin „Öko-Test“ mochte ALDI allerdings keine konkreten Zahlen herausrücken [3]. Aber es könnte durchaus stimmen, wenn man einfach nur den gesamten Umsatz mit Bio-Produkten betrachtet. Die pure Masse macht’s.

Aber was ist mit der Vielfalt der angebotenen Bio-Produkte?

Aldi Süd stockt laut Öko-Test seine Artikel mit Bio-Siegel auf 310 auf, Aldi Nord auf 350. Zum Vergleich: Alnatura bietet derzeit nach eigenen Angaben etwa 6.000 Bio-Produkte an, Dennree verkauft rund 12.000. [3] Alleine daran sieht man: Der Versuch von ALDI, sich allen Ernstes als „Bioladen“ zu verkaufen, ist einfach nur ein großer Bluff.

Es ist die Strategie der Ketten und Discounter, den Naturkosthandel überflüssig zu machen. Edeka macht dasselbe. Auf diese Weise besetzen Discounter Nischen, die bisher von einer eigenen Branche bedient wurden, nämlich der Naturkost-Branche.

Was die Supermärkte und Discounter jedoch nicht kopieren können, ist die Beratung im spezialisierten Naturkosthandel. Fragen Sie mal im NETTO, wo die Bio-Gurke herkommt.

Und lassen Sie sich nicht von Schnäppchenpreisen blenden. Denn wenn Sie mal genau auf das Sortiment und die Preise schauen, werden Sie feststellen, dass die kleinen Bioläden keineswegs teurer sind als die Discounter und Supermärkte mit ihren Reklamepreisen.

Im Laden einer Bioland-Gärtnerei aus der Region haben wir über Monate Möhren zu einem unschlagbaren Preis einkaufen können, weil sie aus deren eigener Erzeugung stammten. Kein Discounter, kein Supermarkt kam da preislich mit.

Man muss genau hinsehen.

[1] https://unternehmen.aldi-sued.de/de/presse/pressemitteilungen/produkte/2018/pressemitteilung-aldi-fuellt-die-regale-jetzt-noch-mehr-auswahl-an-bio-produkten/
[2] https://www.aldi-sued.de/de/sortiment/bio/
[3] https://www.oekotest.de/essen-trinken/news/Bio-Lebensmittel-Aldi-Deutschlands-fuehrender-Bio-Haendler_600168_1.html


Dienstag, 26. Juni 2018

Streichfähiges Wasser


Die Wurstfabrik „Rügenwalder Mühle“ will bis 2020 rund 40 Prozent ihres Umsatzes mit vegetarischen bzw. veganen Produkten machen. 2017 machten vegetarische Produkte bereits rund 25 Prozent des Umsatzes aus. „Wir sind davon überzeugt, dass vegetarische/vegane Alternativen mehr als ein Trend sind und weiter an Bedeutung gewinnen – vor allem auch vor dem Hintergrund der immer drängender werdenden Klimaproblematik“, sagt „Rügenwalder“-Geschäftsführer Godo Röben [1].

Das könnte man jetzt begrüßen.

Wer allerdings glaubt, auch sich selbst Gutes zu tun, indem er/sie auf die vegetarischen oder veganen Fleischersatzprodukte zurückgreift, der sollte mal einen Blick auf die Zutatenliste dieser Produkte werfen. Denn um diesen Kunstprodukten irgendwie Geschmack und das vertraute Fleisch-Feeling zu geben, greift die Lebensmittelindustrie tief in die Trickkiste.

So enthält die vegane „Pommersche“ (Leberwurst-Imitat) insgesamt 15 verschiedene Zutaten (Schnittlauch der Vergleichbarkeit halber mal nicht mitgezählt), darunter - im Gegensatz zu der „echten“ Leberwurst – auch zugesetzte Aromen und Farbstoff. Aber das Beste ist: Die an erster Stelle genannte Zutat ist: Wasser.

Mit anderen Worten: Diese vegane Leberwurst ist streichfähiges Wasser mit Wurstaroma und Farbstoff.

Streichfähiges Wasser: Vegane Leberwurst. (Fotoquelle: Hersteller)


Das gleicht dann nämlich den Anteil von 73% Schweinefleisch und Leber aus, der in der „echten“ Leberwurst enthalten ist. Die kommt immerhin noch auf 11 Zutaten, neben Fleisch, Leber und Speck also acht.

Fleisch, aber ohne Aromen und Farbstoff (Fotoquelle: Hersteller)


Zum Vergleich: Eine Bio-Leberwurst (Ökoland) kommt neben Fleisch/ Leber und Speck gerade einmal mit fünf weiteren Zutaten aus, und das sind Sahne, Salz, Gewürze, Rohrzucker und Dextrose. Ja, über die letzten beiden könnte man maulen, aber ansonsten ist das eine ehrliche Wurst, nach Bioland-Kriterien produziert. Tiere in lebenswerter Haltung. Das ist erheblich besser als industriell versaute Ersatzprodukte.

Ehrliche Wurst. (Bildquelle: oekoland.de)


Mit aromatisiertem, streichfähigen Wasser lässt sich natürlich trefflich Geld verdienen. Und die „Rügenwalder Mühle“ dürfte sich freuen, dass so viele Kunden auf ihren Veggie-Trick hereinfallen. Ob das allerdings wirklich fruchtet, ist zumindest fraglich. Denn immerhin sank der Umsatz der „Rügenwalder Mühle“ in 2017 – trotz Veggie-Offensive - um rund drei Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr.


[1] http://www.haz.de/Nachrichten/Wirtschaft/Niedersachsen/Wursthersteller-Ruegenwalder-Muehle-will-vegetarischer-werden


Sonntag, 24. Juni 2018

„Ohrfeige mit Ansage“


Zu viel Nitrat im Boden: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat vergangene Woche entschieden, dass Deutschland über Jahre hinweg zu wenig gegen eine Überdüngung der Landwirtschaft mit Gülle und die daraus folgende Verunreinigung des Grundwassers mit Nitrat unternommen hat [1]. Besonders in Niedersachsen gerät die Politik dadurch unter Druck. Strafzahlungen drohen.

„Die Verurteilung Deutschlands durch den Europäischen Gerichtshof ist eine Ohrfeige mit Ansage für die deutsche Landwirtschaftspolitik“, sagt Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft [2]. „Das Urteil bestätigt die bisherigen Einschätzungen der Wasserwirtschaft. Im Unterschied zu anderen EU-Mitgliedstaaten ist die EU-Nitratrichtlinie in Deutschland auch 25 Jahre nach Inkrafttreten nicht umgesetzt worden. Auf den permanenten Bruch europäischen Rechts kann in Deutschland niemand stolz sein“.

Nitrat in Gewässern (und im Grundwasser) stammt zumeist aus Gülle in der Landwirtschaft. Der Stoff ist wichtig für das Pflanzenwachstum. Aber wenn zu viel gedüngt wird, sammeln sich Rückstände an. So entsteht giftiges Nitrit. Besonders in Regionen mit Massentierhaltung fällt mehr Gülle an, als die Pflanzen auf den Feldern aufnehmen können. In Niedersachsen bekommt vor allem die Region Weser-Ems die Belastung des Grundwassers nicht in den Griff [3]. Gerade einmal zwei Prozent (!) der Oberflächengewässer in Niedersachsen erreichen nach Angaben des jüngsten Nährstoffberichts des Landes die EU-Vorgaben [4]. Das ist haarsträubend.

Und wie reagieren die Verantwortlichen? Sie tun – nichts.

Denn das Urteil des EuGH bezieht sich – wie praktisch –  auf Versäumnisse vor 2014. Darauf reden sich jetzt der Bauernverband, Landvolk, Agrarministerin Julia Klöckner (CDU), ihre niedersächsische Amtskollegin Otte-Kienast (CDU) und andere heraus. Sie verweisen darauf, dass ja seit vergangenem Jahr hierzulande ein neues Düngerecht gilt, das alles besser mache. Man solle doch jetzt erst mal abwarten, dass das neue Recht Wirkung zeige, heißt es.

Umweltschützern stinkt's: Überdüngung mit Gülle (Fotoquelle SPIEGEL.DE)


Experten sind da allerdings gänzlich anderer Meinung. Der Kieler Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube sagte dem SPIEGEL [5]: „In der Summe bringt das aber keine Veränderungen. Es gibt dort fast überall weiche Formulierungen, die Auflagen werden nie konkret; selbst eine dreifache Überschreitung der Grenzwerte lässt sich mit etwas Geschick schönrechnen.“ Die schlimmste Sanktion, so Taube, sei, dass der Landwirt sich beraten lassen müsste. Und dann habe er wieder seine Ruhe. „Ein stumpfes Schwert“, so sein Fazit zur neuen Düngeverordnung.

Man beachte: Das neue Düngerecht schreibt unter anderem größere Behälter vor, damit die Bauern „die Gülle nicht nur aus Platzmangel“ [6] auf die Felder bringen. Agrarexperte Tauber: „So haben viele Landwirte während der aktuell herrschenden Trockenheit munter weitergedüngt, als könnten sie in diesem Jahr Höchsterträge erwarten. Damit werden die Nitratüberschüsse im Grundwasser noch mehr steigen.“

So ist es nur eine Frage der Zeit, bis es die nächste Klage der EU-Kommission gibt. Und das nächste EuGH-Urteil.

Bis dahin sickert das Nitrat weiter in den Boden und bedroht das Trinkwasser. Fließt weiter in die Meere und führt dort zu Algenpest. Oder gelangt als Ammoniak oder Lachgas in die Atmosphäre. „Lachgas ist ein extremes Klimagas“, sagt Agrarwissenschaftler Taube, „300-fach wirksamer als Kohlendioxid.“ Allein in Deutschland entstünden durch diese Überdüngung pro Jahr Schäden in Höhe von fünf Milliarden Euro.

Nein. Wir können nicht mehr länger abwarten.


[1] https://www.tagesschau.de/inland/nitrat-eugh-103.html
[2] https://www.bdew.de/presse/presseinformationen/deutschland-drohen-milliarden-strafzahlungen/
[3] http://agrarwende.de/massentierhaltung.html
[4] https://www.ml.niedersachsen.de/themen/landwirtschaft/ue_pflanzen_und_duengemanagement/naehrstoffbericht/naehrstoffbericht-132269.html
[5] SPIEGEL, # 26/2018, S. 99
[6] Hannoversche Allgemeine Zeitung, 22.6.18, S. 1


Dienstag, 19. Juni 2018

Mutlos


Gestern war der „Tag der nachhaltigen Gastronomie“, ausgerufen von den Vereinten Nationen [1]. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat aus diesem Anlass dazu aufgerufen, beim Essengehen die Reste einpacken zu lassen, damit keine Lebensmittel weggeworfen werden müssen. Denn: „Jedes Lebensmittel, das wir wegwerfen, ist eins zu viel.“ [2] Das ist fraglos richtig. Und ja, richtig ist sicherlich auch, dass die Gastronomie ein Bewusstsein entwickeln muss, etwas gegen die Verschwendung von Lebensmitteln zu unternehmen.



Nur leider ist das überhaupt nicht das Problem.

Denn: Sich die Reste eines leckeren Essens einpacken zu lassen, das ist in sehr vielen Lokalen längst üblich – und übrigens ja auch immer ein Kompliment an die Küche. Denn wer nimmt schon den Rest der Burger-Pommes-Pampe bei der Fastfoodkette mit nach Hause. Das entsorgt man im Rausgehen im Mülleimer. Das sagt ja alles über die Wertschätzung für das Essen.

Wer es mit Nachhaltigkeit in der Gastronomie ernst meint, müsste gegen diese Missstände vorgehen:
  • XXL-Schnitzel
  • All-you-can-eat-Buffets
  • Speisenkarten mit 125 Positionen drauf
  • 24/7-open-Restaurants
  • To-go-Verpackungen aus Alu und Styropor

Und er müsste gegen das vorgehen, was derlei fragwürdige Angebote überhaupt erst möglich macht: Massentierhaltung und industrielle Landwirtschaft. Denn das macht es wiederum Gastronomen möglich, ein Angebot vorzuhalten, von dem sie vorher schon wissen, dass sie einen großen Teil davon wegschmeißen müssen, und sie machen trotzdem noch ihren Schnitt. Kostet ja nix. Aber der Gast hat eine schön große Auswahl auf der Karte. Das ist falsch.

Hier versucht eine Landwirtschaftsministerin, mit Nachhaltigkeitsrhetorik ein grünliches Wählerspektrum zu umgarnen, ohne auch nur irgendetwas wirklich zu ändern. Wie schon beim „Tierwohl-Label“. Das passt perfekt zur Politik der Kanzlerin.

Wer wirklich etwas ändern will, muss sich leider mit denen anlegen, die davon profitieren, dass die Dinge so sind, wie sie sind.

Alles andere ist einfach nur mutlos.

[1] http://www.un.org/en/events/sustainablegastronomy/
[2] https://twitter.com/bmel/status/1008587728731213824



Sonntag, 20. Mai 2018

Summ, summ.


Zum heutigen „Weltbienentag“ summt es gewaltig bei Twitter & Co. Naturschutzverbände und Organisationen aller Art, Initiativen und Bundesministerien übertrumpfen sich mit Tipps und Hinweisen zum Schutz der wertvollen Bestäuber.

Im Vorfeld hat auch die Supermarktkette REWE ihren Beitrag geleistet. Ein zur REWE Group gehörender PENNY-Markt in Langenhagen bei Hannover hat in einer öffentlichkeitswirksamen Aktion einfach mal über Nacht alle Produkte aus den Regalen geräumt, die ohne Bienen nicht mehr zu kaufen wären. Beeindruckendes Ergebnis: 60 Prozent leere Regale. Der Naturschutzbund NABU ist an dieser PR-Aktion beteiligt. Und benennt die Verantwortlichen:
"Schuld daran ist vor allem die industrielle Landwirtschaft", sagt Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Pestizide wie Glyphosat, fehlende blühende Ackerrandstreifen und Brachflächen - all das töte Bienen direkt oder biete ihnen weder Nahrung noch Unterschlupf. "Obwohl doch grade die Landwirtschaft der größte Nutznießer der Bienen und Bestäuber-Insekten ist." [1]

PR-Aktion: PENNY ohne Bienen



Ergebnis der REWE-Aktion: Ein paar verwirrte Kunden zwar, aber viel Applaus online und eine gute Presse. Und natürlich wurden alle Produkte dann schnell wieder in die Regale geräumt. Noch fliegen ja die Bienen, alles halb so wild.

Ich kann mir nicht helfen, aber für mich sieht das so aus, als würde ein Feuerwehrmann einen Brand löschen, den er selber gelegt hat.

Liebe REWE-Marketingabteilung: Das Bienensterben kann man in euren PENNY-Märkten tagtäglich kaufen: Billig-Obst und -Gemüse aus Glyphosat-optimierter Landwirtschaft. Und die Einkaufspolitik der Ketten wie Edeka, REWE, Aldi, Lidl & Co. ist nicht unbedingt dafür bekannt, den Erzeugern faire Preise anzubieten.

PENNY-Alltag: Bienensterben zum Kaufen


Da drangsalieren die Supermarkt-Ketten und Discounter die landwirtschaftlichen Erzeuger also dauerhaft mit Preis-Dumping, um ihre Gewinnmargen zu optimieren, und dann treten sie der Landwirtschaft, von der sie so sehr profitieren, bei einer Bienenschutz-PR-Aktion mal eben mit Anlauf in den Hintern. Ich mag mich irren, aber es könnte Landwirte geben, die das nicht verstehen.

Die ganze Aktion ist übrigens bei der US-Biomarktkette Whole Foods Market (gehört seit 2017 Amazon) geklaut, die das schon 2013 gemacht hat [2].

Der einfachste Beitrag, etwas gegen das Bienensterben zu unternehmen, ist Bio-Gemüse zu kaufen. Denn der Öko-Landbau ist die Landwirtschaft, in der Bienen (und andere wichtige Bestäuber und Insekten) natürlich leben können. Statt flächendeckend abgerodeter und kaputtgespritzter Anbauflächen für das Billig-Gemüse im Discounter.

Niemand muss Hobby-Imker werden, um Biene Maja zu retten. Einfach nur: Augen auf beim Gemüsekauf.

[1] http://www.spiegel.de/wirtschaft/service/bienensterben-penny-aktion-in-hannover-so-leer-waere-ein-supermarkt-ohne-bienen-a-1207703.html
[2] https://media.wholefoodsmarket.com/news/bees


Donnerstag, 17. Mai 2018

Männer am Grill


Mein Haus, mein Auto, meine Yacht, meine Uhr… Hm. Und was noch? Bevor Männern ihre Statussymbole ausgehen, hätten wir noch im Angebot: Mein Grill.

Mit dem schnöden Dreibein-Schwenkgrill für 29,95 € aus dem Baumarkt kann man vielleicht noch die Kinder bespaßen, aber natürlich nicht Nachbarn und Freundeskreis angemessen beeindrucken. Wenn man das will. Unter dem schwarzglänzenden Kugelgrill der angesagten Marke für, sagen wir, 150 bis 200 Euro geht ja heute gar nix. Und das ist nur der Anfang. Man kann auch locker fast 15.000 Euro für einen Grill ausgeben. Das ist dann aber auch kein „Grill“ mehr, sondern mindestens eine „Outdoor Cooking Station“. Mein Auto hat deutlich weniger gekostet.

Ein echtes Schnäppchen: Grill für 14.000 Euro. 


Und was liegt dann drauf, auf diesen High End Grills? Meistens billigstes Schweinefleisch aus Massentierhaltung, ertränkt in öliger Ketchup-Marinade, mit totgetrockneten Kräutern, von der Supermarkt-Theke, 3,99 € das Kilo. Gleich daneben die elende Hähnchenbrust aus Hybrid-Züchtung. Guten Appetit!

Ich kann mich an Partys erinnern, wo viel über Grills geredet wurde, aber nie über das Fleisch, das darauf lag. Übrigens stand da nie eine Frau am Grill. Und nie redete eine Frau über einen Grill. Männer reden über ihren Grill. Wie über ihre Autos. Oder ihre Frauen. Derweil reden die Frauen (in der Küche) über ihre Kinder. Manchmal auch über ihre Pferde. Grillen kann ziemlich merkwürdig sein.

Die Frauen, soweit eher fischig oder vegetarisch unterwegs, begnügten sich dann an solchen Grillabenden mit dem Lachsfilet aus der Alufolie oder dem Gemüsespieß, so es ihn gab, je nach Gewohnheiten der Gastgeber. Da stimmt was nicht.

Ich sage mal so: Wenn wir für Veranstaltungen ein Grillbuffet anbieten, dann ist unser Arbeitsgerät ein ganz schlichter Gasgrill, der in der Anschaffung nicht mehr als 150 € kostet und sehr langweilig aussieht. Arbeitsgerät halt. Das Fleisch auf dem Grill kostet dann allerdings ziemlich viel, weil es aus Bioland-Betrieben mit lebenswerter Tierhaltung stammt. Ich finde, das ist so genau richtig. Und nicht umgekehrt.

Und für zuhause ist der alte, angerostete Dreibein-Schwenkgrill deshalb so klasse, weil man ihn auch über ein ausglühendes Lagerfeuer stellen kann. Darum herum gestalten dann auch pubertierende Kinder die schönsten Gartenpartys. Grillen kann echt Spaß machen mit einem Grill für 29,95 €.




Sonntag, 6. Mai 2018

„Homemade-Style“


Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ (F.A.S.) berichtet darüber, dass in Restaurants immer mehr Convenience-Produkte zum Einsatz kommen, also industriell vorgefertigte, „bequeme“ Lebensmittel. [1] Die gibt es mittlerweile in den verschiedensten Qualitäten und Zubereitungsstufen. (Und leider auch im Bio-Bereich.) Spezialisierte Hersteller bieten dabei auch Fertigprodukte an, die bewusst so gemacht sind, dass sie eben nicht nach industrieller Fertigware aussehen: „Bei ‚Salomon Foodworld‘ gibt es sogar ‚Homemade Style‘-Burger und Schnitzel, bei denen die Fleischrohlinge maschinell so gepresst werden, dass sie an den Rändern ausfransen. Schön unregelmäßig das alles. Wer sollte am Tisch im Restaurant auf die Idee kommen, dass sie nicht eigenhändig zubereitet wurden?“, fragt die F.A.S. Und der Marketingchef dieser Firma verteidigt das mit der Aussage „Es muss am Ende eine Handwerklichkeit im Produkt feststellbar sein, sonst hat der Gastronom keine Chance, seinen Gast zu begeistern.“

Wie bitte? Ich kann mich gerade nicht entscheiden, ob ich es bewundern sollte, dass jemand sich traut, dermaßen skrupellos den offensichtlichen und gezielt beabsichtigten Betrug am Gast zum (vermutlich erfolgreichen) Geschäftsmodell zu erheben – oder ob ich das einfach nur abstoßend finde.

„Hausgemacht“ ist keine geschützte Bezeichnung in der Gastronomie. Das kann jeder auf seine Speisenkarte schreiben, wie er lustig ist. Und oft ist das dann wohl einfach nur gelogen. Nach dem Motto „Bei einer Lüge nicht erwischt zu werden, ist das Gleiche, wie die Wahrheit zu sagen“ [2]. Nein, ist es eben nicht.

Geschnetzeltes vom Biolandschwein aus der Region.
Ehrliches Essen. Geht doch.


Und deshalb bleiben wir auch dabei, vom Bioland-Schlachter aus der Region den Schweinerücken zu beziehen, es in Handarbeit zu Geschnetzeltem zu verarbeiten und dann in Dijonsenfsauce auf ein Catering-Buffet für die 30 Gäste einer Konfirmation zu bringen, so wie heute mittag. Geht doch.

  
[1] F.A.S. v. 6. Mai 2018, Seite 15
[2] Filmzitat aus „Die drei Tage des Condor“, 1975 | http://filmzitate.info/index-link.php?link=http://filmzitate.info/suche/film-zitate.php?film_id=1638


Mittwoch, 2. Mai 2018

Tschüß, Hollandaise


Es ist Spargelsaison. Und zu einem zünftigen Spargelessen gehört – neben Schnitzel, Schinken oder Lachs – eben auch die Sauce Hollandaise. Restaurants, die etwas auf sich halten, bewerben jetzt auch wieder ihre Spargel-Menüs mit hausgemachter Holländischer Soße. Das Dumme ist nur: Die Menschen mögen sie nicht, die echte Soße.

Die Holländische Soße, wie sie im Koch-Lehrbuch steht, ist in der Herstellung kompliziert und extrem undankbar. Kurz gesagt werden Weißwein und Essig mit Pfefferkörnern und Schalotten einreduziert, anschließend Eigelbe im Wasserbad cremig aufgerührt und dann mit geklärter Butter aufgemixt. Ich spare mir jetzt mal das konkrete Rezept, denn ich kann niemandem empfehlen, es nachzukochen. 

Ein Saucen-Kochbuch rät im Schlusssatz des Rezeptes: "Sofort servieren." Genau. Denn das Problem ist gar nicht so sehr, diese Sauce hinzubekommen. Das Problem ist, diese Sauce warmzuhalten oder wieder zu erwärmen. Denn sobald die Temperatur auch nur ein bisschen zu hoch ist, gerinnt die Sauce - Feierabend. Vielleicht kann man die Soße noch retten, indem man schnell den Pürierstab reinhält oder eine neue Ei-Masse aufschlägt. Aber meistens geht einem diese blöde Soße einfach nur kaputt! Es gibt kaum eine andere Speise, die Köche dermaßen zur Verzweiflung treibt. Nachdem ich drei Versuche gemacht habe und drei Mal scheiterte, dachte ich, ich bin einfach zu blöd und zu unbegabt. Getröstet hat mich dann aber die Auskunft einer Köchin, die in einer hochdekorierten Küche in Berlin gearbeitet hat, dass sie es dort auch nicht besser hinbekommen haben. So schafft sich eine klassische Soße selber ab, weil sie in der Praxis nicht wirklich zu handhaben ist.

Holländische Sauce: Gewinner und Verlierer.


Das erklärt den Siegeszug der industriell hergestellten Hollandaise aus dem Tetrapak. Die ist mit Bindemitteln versetzt und enthält nur 5% Ei. Aber sie gerinnt nicht beim Erhitzen. Und die enthaltenen Aromen sorgen für den „typischen“ Hollandaise-Geschmack, den jeder kennt, und den auch Kinder schätzten, weil er der Pommes-Mayo recht nahe kommt. Und wenn Gäste in Restaurants dann mal eine mutig hausgemachte Holländische Soße zum Spargel bekommen, dann schmeckt sie ihnen nicht. Das kann man dieser Tage sogar in Restaurant-Kritiken von Zeitungen nachlesen.

Ich kenne keine andere Speise, wo im Geschmacksempfinden der Leute das Original so flächendeckend und nachhaltig durch die Fälschung ersetzt wurde. Das ist so extrem nicht einmal bei Tiefkühl-Pizza der Fall.

Ich bin wirklich ein Verfechter der hausgemachten Küche, aber in Sachen Hollandaise streiche ich die Segel: Ihr habt gewonnen, Unilever, Maggi und Thomy.

Ich würde zum Spargel einfach zerlassene Butter anbieten. Tschüß Hollandaise.


Dienstag, 1. Mai 2018

Salmonellen-Alarm


Edeka, REWE und ihre Discounter-Töchter haben einen Rückruf gestartet für bestimmte Freiland-Eier [1]. Grund: Salmonellen-Befall. Festgestellt bei einem schwäbischen Lieferanten bei einer amtlichen Kontrolle. Das ist soweit gut und richtig. Denn Salmonellen sorgen bei Konsumenten immerhin für lästigen Durchfall, können für Kleinkinder und Personen mit geschwächtem Immunsystem aber auch richtig gefährlich werden.

Salmonellen sind bei Eiern immer ein Risiko. Auch dann, wenn sie nicht von Rückrufaktionen betroffen sind. Salmonellen sind natürliche bakterielle Bewohner des Darmtraktes von Hühnern. So landen sie dann auch schon mal auf der Eierschale (und auch am Eier-Karton).

Richtiger Umgang mit Eiern verhindert
Salmonellen-Infektionen. (Foto: Wikipedia)


In die Eier gelangen sie normalerweise aber nicht. Denn die Eierschale ist eine natürliche Schutzhülle. Wichtig ist, mit Eiern richtig umzugehen, dann ist es ziemlich egal, ob auf der Schale Salmonellen sitzen oder nicht.

Ein paar einfache Tipps:
  • Eier nicht an der Rührschüssel aufschlagen, sondern an der Tischkante (oder mit einem Messerrücken).
  • Hände waschen nach dem Anfassen der Eier, bevor man andere Lebensmittel berührt.
  • Eier mit beschädigter Schale – wenn überhaupt - ganz schnell verbrauchen und immer durchgaren.
  • Eier nach dem aufgedruckten Datum im Kühlschrank aufbewahren, aber nicht direkt neben unverpackten Lebensmitteln wie Gemüse, Salat oder Fleisch. Zuhause ist die Eier-Box im Kühlschrank genau der richtige Platz.
  • Speisen mit nicht durchgegartem Ei (z. B. Desserts) nur mit ganz frischen Eiern zubereiten, konsequent kühlen und möglichst am selben Tag verzehren.
Und das noch: Eier abzuwaschen, aus Furcht vor Salmonellen, ist keine gute Idee. Denn das zerstört nur die natürliche Schutzhülle des Eis und erleichtert es Bakterien, in das Innere des Eis vorzudringen.

[1] https://www.derwesten.de/panorama/norma-rewe-netto-penny-und-edeka-rufen-eier-zurueck-id214165691.html sowie viele andere; Quelle: dpa.
[2] http://www.ernaehrungsberatung.rlp.de/Internet/global/themen.nsf/9073100c457d496fc125703c004ef2b2/e18462327a970516c125703d00351633?OpenDocument


Montag, 30. April 2018

Spargelstraße


Doch, es gibt sie tatsächlich, die „Niedersächsische Spargelstraße“. Mit ganz offiziellen Schildern am Straßenrand (s.u.), eigenem Wikipedia-Eintrag [1] und eigener Homepage [2]. Das macht touristisch vielleicht Sinn, wenn es mit dem Weinanbau nicht so recht klappt in der norddeutschen Tiefebene. Dann eben Spargel. Ich wohne ganz nah an der Spargelstraße. Keine 300 Meter entfernt. Nur leider weit und breit kein Spargel. Macht ja nix.



Etwas abseits der Route liegt Fuhrberg. Die konventionellen Erzeuger sind dort schon seit Ostern am Start, dank Folien und Heizdecken, und verlegen den Beginn der Spargel-Saison künstlich nach vorne. Was soll dieser Unsinn?

Jetzt ist der echte Spargel fertig. [3]. Bioland-Qualität. Und nächste Woche bei uns auf der Speisenkarte.



[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Nieders%C3%A4chsische_Spargelstra%C3%9Fe
[2] http://www.niedersaechsische-spargelstrasse.de/
[3] http://www.woehlers-biohofladen.de/40555/41570.html

Samstag, 28. April 2018

Hipster-Schrottplatz


Der neueste Trend bei Smoothies ist nicht mehr der grüne, sondern der schwarze. Der wird meist mit Aktivkohle versetzt. Das ist ein Medikament und kein Genussmittel. Aktivkohle gehört vielleicht in die Reiseapotheke, aber bestimmt nicht auf den täglichen Speiseplan. Die möglichen Folgen für die Gesundheit hat das Bundeszentrum für Ernährung schlüssig dargelegt [1].

Aber im Detox-Wahn empfehlen allerlei selbsternannte Gesundheitsexperten jetzt die Black Smoothies. Allerdings nicht ohne dann aber auch vorsichtshalber gleich auf die Risiken und Nebenwirkungen hinzuweisen. Fragen Sie lieber Ihren Arzt oder Apotheker. Nach dem Motto: Plutonium im Gemüsesaft bringt Sie voll auf Zack, aber klären Sie vorher besser mal, ob Sie das auch vertragen. Eltern haften für ihre Kinder.



Um es klar zu sagen: Aktivkohle braucht kein Mensch für seine normale, gesunde, ausgewogene Ernährung.

Aktivkohle kommt zum Beispiel sinnvoll zum Einsatz [2] in Atemschutzmasken, Panzern, Tankanlagen, chemischen Reinigungen, Zigarettenfiltern oder gegen Schweißgeruch in Schuhen. Aber nicht in Lebensmitteln.

Dieser Smoothie gehört schleunigst auf den Hipster-Schrottplatz der Geschichte.

Wer unbedingt einen schwarzen Smoothie trinken will, mixt sich den aus schwarzer Johannesbeere, Brombeere, Trauben, Blaukraut und Roter Bete. Öl, Ingwer, Muskat dazu – fertig. Ganz ohne Aktivkohle.


[1] https://www.bzfe.de/inhalt/schwarze-smoothies-32129.html
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Aktivkohle


Mittwoch, 25. April 2018

Blog to go


Ja, wir zwitschern jetzt auch manchmal. Der kleine Blog to go, sozusagen. Wenn Sie mögen: https://twitter.com/eichhorn_bio. Oder in der App: @eichhorn_bio. 

Für so etwas zum Beispiel: Wo kommt die Möhre im Bio-Supermarkt denn nun tatsächlich her…?




Kann man ja mal fragen.



Montag, 23. April 2018

Scheiß Natur


Manchmal stehe ich in der Küche und denke: „Scheiß Natur“. Nämlich dann, wenn ich Kartoffeln, Möhren, Kürbis, Steckrüben, Sellerie oder Pastinake vom Bio-Hof aus der Region schäle und verarbeite, die eben nicht so glatt und bequem sind wie die Produkte aus dem Supermarkt. Die haben dann auch mal ihre Macken und ihre dunklen Stellen, sind etwas krumm oder mal etwas klein und schrumpelig. Das muss man dann recht mühsam herausschneiden. Und dann fluche ich über die Natur. Aber nicht im Ernst.

Gemüse aus ökologischem Landbau:
Für die Erzeuger harte Arbeit statt "Landlust"-Idyll. 


Denn jedes Mal, wenn ich auf das Gelände der Bioland-Gärtnerei fahre, um Gemüse abzuholen, staune ich immer wieder über die haushohen Stapel an grünen Kisten, die dort stehen, und bekomme eine sehr demütige Vorstellung davon, wie viel Arbeit es jeden Tag bedeutet, gutes Gemüse zu erzeugen. Nebenbei im Gespräch mit den Betreibern des Hofes erfährt man dann auch mal, wie schlimm zum Beispiel die Auswirkungen einer verregneten Saison sein können. Da saufen mal eben ganze Felder ab. Das hat mit der gelackten „Landlust“-Romantik nicht viel zu tun. Bio-Landbau ist ein anstrengender, dreckiger Gummistiefel-Job. Und das meine ich als Kompliment. Davon kriegt niemand etwas mit, der sich einfach nur vom Naturkost-Großhändler beliefern lässt.

Und so schäle und kratze ich auch weiterhin leise fluchend die schwarzen Stellen aus dem Bio-Gemüse und denke dabei „Scheiß Natur“. Aber: Scheiß Natur pur. Ohne Chemie und anderen Dreck. Und wenn ich fertig bin, ist es für mich immer die allerschönste Pastinakencremesuppe der Welt oder der beste Erbseneintopf oder das leckerste gedämpfte Feldgemüse, so wie auf dem Bio-Buffet für die Konfirmation vorgestern, deren Gäste so vollauf zufrieden waren.

Tolle Natur.



Sonntag, 15. April 2018

Aloha


Daniel B., 22, Restaurantbesitzer aus Berlin, im aktuellen SPIEGEL über die neue Trend-Speise „Poké Bowl“ – ein hawaiianisches Nationalgericht:

„Roher Fisch, in Scheiben gecuttet, dazu kommen bei uns Reis oder Greens und Mix-ins wie Rote Bete oder Edamame sowie verschiedene Flavors, also Soßen, und Toppings wie Macadamianüsse oder auch Premium-Toppings wie Kimchi, Avocado oder Quinoa. Liegt voll im Zeitgeist der New Wave des Clean Eating. Sushi 2.0! (…) Poké ist nicht nur gesundes Fast Food, sondern auch enorm instagrammable – das ist uns wichtig – , weil der Salat so fotogen ist.“

Gemischter Salat, hawaiianisch. Nicht sehr sinnvoll, 
aber "instagrammable".


Aha. Bestimmt lecker. Aber wie heißt noch mal die Sprache, die dieser junge Mann spricht? Hipstisch? Berlinerisch 2.0? Foodish? U-30-Sprech? Urban Denglish? Ich komme einfach nicht drauf.

Mit Poké Bowls ist auf jeden Fall nun wohl auch bei uns, nach Superfood, Low-Carb und Paleo, der nächste (vermutlich kurzlebige) Trend in Sachen Essen angekommen. „Cool inner city cafes once boasted health bowls that were superfood, paleo, gluten-free, vegan-friendly. Now, it is the day of the poké“, schreibt das einflussreiche australische Food-Magazin „delicious“ [1].

Poké erfunden haben Ende des 19. Jahrhunderts hawaiianische Fischer, die ihren Fang des Tages, z. B. Thunfisch oder auch mal Oktopus, mit Algen und Zwiebeln und, unter dem Einfluss japanischer Einwanderer, die dort auf Ananas-Plantagen schufteten, mit Reis, Sojasauce oder Sesamöl in eine Schüssel warfen. Ein kalt-warmes, vollwertiges Alltagsessen aus Zutaten, die gerade zur Hand waren. Das war sinnvoll damals. Auf Hawaii.

Heute bei uns, in angesagten Szene-Lokalen in Berlin oder anderswo, ist Poké nüchtern betrachtet nicht viel mehr als eine überteuerte Salatschüssel mit lauter Zutaten, die ganz überwiegend von weit, weit her eingeflogen werden müssen. Eine Küche für Foodies, Blogger und Influencer, wie Daniel B. im SPIEGEL-Interview ganz freimütig zugibt. Porn Food. Ein Trend-Quickie. Schon mal was von Klimaschutz gehört? Nichts gegen etwas Exotik und Urlaubsflair auf dem Teller. Aber das ist ganz sicher nicht sinnvoll. Hier und heute.

[1] https://www.delicious.com.au/food-files/health/collections/poke-bowls-everything-you-need-know-matt-preston/9F1XXhvc


Dienstag, 10. April 2018

Trendsau Birkensaft


Die neueste Gesundheitssau, die durchs selbstoptimierte Dorf getrieben wird, heißt „Birkensaft“. Abgezapft aus der Rinde der Birke, wird dem Wasser eine vitalisierende bis wunderheilende Wirkung zugeschrieben. Als Zeugen müssen die alten Germanen herhalten – mangels Alternative. Überflüssig zu erwähnen, dass es keinerlei fundierte Erkenntnisse darüber gibt, dass der Saft aus der Baumrinde tatsächlich auch nur irgendeinen gesundheitlichen Nutzen hat. Nun, zumindest schadet er offenbar nicht. Das liegt nahe bei Naturprodukten. Und es steht natürlich jedem frei, 30 Euro Literpreis oder mehr für eine Flüssigkeit zu bezahlen, deren Nutzen dem von Mineralwasser entspricht. Darüber könnte man jetzt einmal nachdenken.

Definitiv keine gute Idee ist es, mit dem Akkubohrer in den Wald zu gehen und Birken ihren Saft abzusaugen, so wie es einige Do-it-yourself-Beiträge im Netz beschreiben. Das ist nicht nur verboten (es sei denn, der Wald gehört Ihnen) sondern beschädigt vor allem die Bäume nachhaltig. Schon das Verschließen der dadurch entstehenden Verletzungen in der Rinde ist nichts für Amateure [1].

Man muss wirklich kein Baum-Umarmer sein, um zu erkennen, dass hier geballter Schwachsinn unterwegs ist.


[1] https://www.heilpflanzen-welt.de/2017-04-Birkensaft-gehoert-den-Birken-bitte-nicht-anzapfen/



Sonntag, 8. April 2018

Alle auf Zucker


Die Briten haben eine Extra-Steuer auf zuckerhaltige Getränke eingeführt [1]. Und passend dazu nimmt sich Foodwatch den Zuckergetränkehersteller Coca-Cola zur Brust. Lange Zeit war Fett angeblich der Krankmacher Nummer eins. Sozusagen das neue Rauchen. Dann war Sitzen das neue Fett. Jetzt ist Zucker das neue Sitzen. Was ist da los?

Der SPIEGEL hat jetzt in seiner Titelgeschichte [2] das Thema einmal zusammengefasst. Die Fakten sind lecker. Kleine Auswahl:

  • Die Nahrungsmittelindustrie setzt drei von vier Produkten Zucker zu.
  • Dosensuppe und Fertigpizza enthält bis zu 5% zugesetzten Zucker.
  • Manches Kind verdrückt jedes Jahr einen Berg an Zucker, der mehr wiegt als es selbst.
  • Mit Zucker ist zumeist Haushaltszucker gemeint: Saccharose. Diese organisch-chemische Verbindung braucht der menschliche Körper nicht. Er kann z. B. Kartoffelstärke oder Getreide in Traubenzucker umwandeln, den das Gehirn als Energiequelle nutzt.
  • Studien zeigen: Nicht das lange verteufelte Fett begünstigt in erster Linie Übergewicht, Diabetes, Herzinfarkte und Nierenversagen – sondern Zucker. Das hat auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung in ihren neuen Empfehlungen inzwischen berücksichtigt.
  • „Low-Fat-Produkte“ enthalten mehr Zucker als reguläre Vergleichsprodukte, deshalb können sie mehr schaden als nutzen.

Foodwatch prangerte dazu jüngst an, dass Coca-Cola gezielt „Influencer“ und „Youtuber“ für seine Produkte einspannt und vergleicht die Werbestrategie des Konzerns mit dem früheren Vorgehen der Tabak-Lobby:
„Ob mit Fußballstars im TV oder angesagten Influencern im Youtube-Video: Coca-Cola versteht es wie kaum ein anderer Konzern, ein positives Image zu kreieren – auch und gerade bei jungen Menschen. Dabei sind die Zuckergetränke von Coca-Cola flüssige Krankmacher. (…) Schon eine Dose am Tag fördert ernsthafte Krankheiten wie Diabetes. (…) Coca-Cola torpediert gezielt gesundheitspolitische Initiativen rund um den Globus und versucht mithilfe von Lobbyverbänden, die Gesundheitsgefahren von Zuckergetränken zu verschleiern – mit den gleichen Methoden wie früher die Tabakindustrie.“ [3]

Der Erfolg kann sich sehen lassen: Laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung sind in Deutschland 59% der Männer und 37% der Frauen übergewichtig. [4]

Die „Wirtschaftliche Vereinigung Zucker“ in Bonn behauptet jedoch hartnäckig: „Zucker macht weder krank noch dick.“ [5] Das steht in krassem Widerspruch zu den Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und zahlreichen seriösen Studien. Das ist Lobbyarbeit, wie sie im Buche steht. Die NRA in den USA steht ja bekanntlich auch auf dem Standpunkt, dass Waffen keine Menschen töten. Schon klar. Man könnte auch einfach sagen: Das ist eine faustdicke Lüge. Aber gut: Auch in unserem Rechtssystem müssen zwar Zeugen vor Gericht die Wahrheit sagen, Angeklagte dagegen nicht. Beschuldigte dürfen lügen, dass sich die Balken biegen.

Das Problem dabei ist nicht, dass manche Produkte viel Zucker enthalten. Wer sich eine klassische Tafel Schokolade aufreißt oder das Brötchen fingerdick mit Erdbeerkonfitüre bestreicht, dürfte wissen, was er da zu sich nimmt. Das kann man sich ja gönnen, wenn man will. Unredlich wird es dann, wenn süße Dinge versuchen, gesünder zu erscheinen als sie sind („Milchschnitte“) oder der Zucker unsichtbar in Fertigprodukten schlummert.

Sehr erfrischend ist da die Äußerung eines PR-Experten, der – laut SPIEGEL – seinem Klienten riet: „Wenn Sie ein Zuckerprodukt herstellen, dann sagen Sie doch einfach ganz ehrlich, das ist ein wunderbarer Schokoriegel, der Sie glücklich macht – und tun Sie nicht so, als ob das Brokkoli ist!“

Besser als jeder Smoothie: Ballaststoffe, Vitamine und Zucker
in sinnvollem Verhältnis, praktisch verpackt. 

Ziemlich unschuldig sind Lebensmittelindustrie und Lobbyverbände allerdings an einem verbreiteten Missverständnis, das ebenfalls dazu führt, das Menschen viel zu viel Zucker zu sich nehmen: Scheinbar gesunde Fruchtsäfte und auch angesagte „Smoothies“ enthalten oft genauso viel oder sogar mehr Zucker als eine 0,5l-Flasche Coca Cola, weil der Fruchtzuckergehalt beim Auspressen im Verhältnis zur Gesamtmenge extrem steigt.

Besser: Einfach mal einen Apfel essen.



[1] https://www.tagesschau.de/ausland/zuckersteuer-grossbritannien-105.html
[2] DER SPIEGEL, Nr. 15/2018, S. 11 ff
[3] https://www.foodwatch.org/de/presse/pressemitteilungen/coca-cola-report-kritisiert-mitverantwortung-des-getraenke-konzerns-fuer-fettleibigkeit-und-diabetes-foodwatch-fordert-influencer-marketing-stoppen/
[4] https://www.dge.de/presse/pm/so-dick-war-deutschland-noch-nie/
 [5] https://www.tagesspiegel.de/advertorials/ots/wvz-wirtschaftliche-vereinigung-zucker-selbstbetrug-zuckerreduktion-kalorien-gehoeren-in-den-fokus-der-ernaehrungsdebatte/19802110.html
Man beachte beim Link die Unterverzeichnisse „advertorials“ und „ots“: Das ist nämlich kein journalistisch verfasster Artikel der Redaktion des Tagesspiegels, sondern eine redaktionell unbearbeitete Pressemitteilung des Lobby-Verbandes. Diese Pressemitteilung findet sich auch in anderen Portalen, die Pressemitteilungen verbreiten. Das Kürzel „ots“ im Link und als Kürzel zum Beginn der Meldung verweist auf den „Original Text Service“ („ots“) der Deutschen Presseagentur (dpa). Dazu muss man wissen, dass die dpa eine hochseriöse Nachrichtenagentur ist, die von ebenso seriösen Zeitungsverlagen in Deutschland gegründet wurde und getragen wird. Zugleich aber verdient die dpa auch Geld mit der Verbreitung von Pressemitteilungen über ihren ots-Service. Man könnte nun fragen, ob es der Glaubwürdigkeit zuträglich ist in Zeiten von Fake-News, dass seriöse Nachrichtenagenturen wie dpa ihren Gewinn aufbessern mit dem Vertrieb von Pressemitteilungen und eine Zeitung wie der „Tagesspiegel“ diese Pressemitteilungen unbearbeitet in ihrem Onlineangebot verbreitet. Aber das ist eine eigene Geschichte.


Donnerstag, 5. April 2018

Job to go


Immer mehr Lehrlinge brechen ihre Ausbildung ab. Das geht aus dem Entwurf für den Berufsbildungsbericht 2018 hervor, über den die Süddeutsche Zeitung berichtet [1]. Besonders hoch ist die Abbrecherquote im Gastro-Gewerbe. Dort sind es, bei Köchen etwa, fast 50%, bei Restaurantfachkräften ähnlich viele. Zum Vergleich: Bei angehenden Verwaltungsfachangestellten sind es gerade einmal gut 4%.

Das mag daran liegen, dass Ausbildungsplätze in der Gastronomie oft schlecht bezahlt, das Arbeitsklima rau und die Arbeitszeiten unfreundlich sind. Aber auch daran, dass junge Bewerber falsche Vorstellungen über den Ausbildungsberuf haben.

Wie bizarr das sein kann, illustriert ein Interview in der „Neuen Presse“. Da führt ein Vertreter der Handwerkskammer an, dass Jugendliche im Job zum Beispiel nicht mit dem frühen Aufstehen zurechtkommen. Frage der Zeitung: „Wer Bäcker lernt, sollte doch wissen, dass die früh anfangen.“ Antwort: „Nein, das kann man nicht mehr voraussetzen. Für viele junge Leute kommt das Brötchen aus dem Regal, wo sie es beim Bäcker sehen, die Vorgeschichte ist vielen nicht mehr klar.“ Klingt etwas resigniert. Ist aber nicht wirklich überraschend, wenn die Berufsziele von Teenagern heute „Influencer“ oder „Youtuber“ heißen.

[1] http://www.sueddeutsche.de/karriere/ausbildung-jeder-vierte-lehrling-wirft-hin-1.3929404