Sonntag, 25. Februar 2018

Ausgemixt?


Der Thermomix schwächelt. Die Verkaufszahlen der Luxus-Küchenmaschine sind in 2017 offenbar deutlich zurückgegangen. Dass der vermeintliche Alleskönner aus dem Hause Vorwerk deshalb zum „Ladenhüter“ („Welt“ [1]) wird, ist vielleicht etwas übertrieben. Aber fast acht Prozent Minus bei den Verkaufszahlen dürfte den Bodenstaubsauger-Hersteller aus Wuppertal schon schmerzen, nachdem er mit dem Thermomix in den Jahren zuvor einen bemerkenswerten Siegeszug mit jeweils zweistelligen Zuwachsraten hinlegte, der den seines Staubsauger-Bestsellers „Kobold“ glatt in den Schatten stellte. Hat es sich ausgemixt?

Es könnte daran liegen, dass das Ding schlappe 1.200 Euro kostet und noch nicht einmal ein Spiegelei braten kann. Es könnte auch daran liegen, dass viele Menschen, die sich einen Thermomix auf Tupperparty-ähnlichen Verkaufsveranstaltungen haben aufschwatzen lassen, festgestellt haben, dass sie dann doch erst mal allerlei Zutaten einkaufen und dann jede Menge Bedienschritte, die vom Display befohlen werden, vornehmen müssen, die Konzentration und Aufmerksamkeit im Minutentakt erfordern, damit die Maschine das gewünschte Ergebnis überhaupt produzieren kann. Und für die Rezepte kauft man später auch noch die passenden Thermomix-Zeitschriften? Aufwachen! Wo ist denn da der Vorteil gegenüber dem ganz normalen Kochen? Das alles kostet nur viel Geld, verbraucht wertvolle Lebenszeit und sorgt für Stress im familiären Alltag. Also genau das Gegenteil von dem, was Geräte wie der Thermomix vorgeben zu leisten.

Für 1.200 Euro könnte ich mir auch einen richtig schönen Herd, eine Handvoll hochwertiger Pfannen und Töpfe und drei tolle Messer kaufen. Und selbst das brauche ich nicht. Zwei Hände, ein Messer, ein Löffel und ein kleines bisschen Wissen genügt völlig, um eine Familie satt zu machen mit frischem Essen. Kochen ist ganz einfach. Wenn man sich traut.

[1] https://www.welt.de/wirtschaft/article173762303/Thermomix-Hersteller-Vorwerk-raetselt-ueber-Absatzschwaeche.html



Donnerstag, 22. Februar 2018

Gastronomie: Immer auf und allzeit bereit?


In unserem kleinen Wohnort vor den Toren Hannovers passiert gerade folgendes: Die Gemeinde versucht, ein ganz hübsches Lokal in recht zentraler, aber dennoch, nun ja, provinzieller Lage an einen neuen Pächter zu vermieten. Für rund 1.600 Euro im Monat. Und da hat man Zeitungsberichten zufolge seitens der Gemeinde auch ganz konkrete Vorstellungen, was die Öffnungszeiten angeht. Von Frühstück über Mittagstisch bis zu längeren Öffnungszeiten am Abend, vor allem am Wochenende, ja, das sollte dann schon sein. Kurz gesagt: Immer geöffnet. Außerdem sollte auch noch bei Bedarf das Catering für Veranstaltungen im benachbarten Bürgerhaus übernommen werden. Der Kunstverein möchte ja auch essen. Natürlich preiswert. Und dafür suchen sie jetzt einen neuen Pächter. Armer Kerl, der diesen Vertrag unterschreibt.

Denn dann muss der Betreiber Ware und Personal ständig auch für Zeiten bereithalten, zu denen keiner (oder kaum einer) kommt. Hier auf dem Land gibt es, anders als in der Stadt, keine Studenten, die frühstücken gehen, keine Latte-Macciato-Mütter, keinen Business-Lunch. Mittagstisch? Das wird dann gerne auch einfach mit einer Stulle erledigt. Und für das Essen gehen mit der Familie ist es dann der Samstag abend, aber nicht der Dienstag vormittag, und dann geht man auch lieber in die gehobeneren Lokale und nicht zum Allzeit-bereit-Anbieter, egal, wie klasse da die Burger sind. Das ist schade, aber nicht das Problem.

Das Problem ist: Hier will offenbar ein Eigentümer (in diesem Fall eine Gemeinde, aber das gibt es auch gerne z. B. bei Vereinsheimen oder privaten Eigentümern) einem Gastronomen vorschreiben, welche Öffnungszeiten er anzubieten hat. Hallo? Die Öffnungszeiten sind ein elementarer Bestandteil eines gastronomischen Konzeptes. Und genauso wie bei Speisenkarte und Preisen, muss (muss!) ein Gastronom das Recht haben, seine Öffnungszeiten nach eigener Entscheidung zu gestalten und ggf. anzupassen. Der Betreiber trägt das wirtschaftliche Risiko, nicht der Eigentümer. Der Eigentümer hat zunächst einmal nur Anspruch auf die Pacht. Und sonst auf gar nichts.

Immer geöffnet, allzeit bereit? So, wie wir das aus dem Internet kennen: 24 Stunden am Start, ein Klick, sofort geliefert, am besten noch Umtausch inklusive? Zalando-Gastronomie? So kann man vielleicht Schuhe verkaufen, aber nicht frisches Essen. So macht man Läden kaputt, bevor sie überhaupt angefangen haben. Gastronomen und Köche müssen kalkulieren können, sich vorbereiten können, sonst landet ganz viel im Müll, das wollen wir doch auch nicht, oder? Und das bezahlen schließlich nicht die Gäste, die nicht kommen, und auch nicht der Eigentümer, sondern die Gastronomen. Nebenbei: Wundert sich da noch jemand, dass gerade in der Gastronomie der Mindestlohn für die Angestellten massiv umgangen wird?

Nun könnte man allerdings auch sagen: Selber schuld. Denn immer wieder fallen Betreiber auf völlig überzogene Mietvorstellungen und/ oder astronomische Abstandszahlungen rein, um sich den Traum vom eigenen Restaurant zu erfüllen. Wer sich auch nur ein bisschen in der Branche auskennt, weiß von der Formel „Pacht mal acht“. Das ist der Faktor, um grob über den Daumen zu peilen, welchen Umsatz ein Restaurant braucht, um Gewinn zu erwirtschaften. Da ist schnell ausgerechnet, dass ein Laden, der 1.600 Euro pro Monat kostet, bei 6 Öffnungstagen die Woche pro Tag rund 490,- Euro umsetzen müsste. Das wären also zum Beispiel täglich 30 Gäste, die jeweils für rund 15,- Euro essen und trinken. Das klingt erst mal nicht nach viel. Aber: Im Durchschnitt, jeden Tag. Und ein Milchkaffee und ein Stück Kuchen am Nachmittag sind eben nicht 15,- Euro, sondern nur 5,- Euro Umsatz. Und wenn es von Montag bis Donnerstag nicht läuft, gerät die ganze Kalkulation massiv aus dem Gleichgewicht. Das müsste dann am Wochenende zusätzlich (!) eingespielt werden. Das ist gerade auf dem Land oft nicht möglich. Jeder Tag, an dem diese Rechnung nicht aufgeht, bedeutet Verlust für den Betreiber. Denn die Betriebskosten und der Lohn für die Angestellten muss ja in jedem Fall bezahlt werden. Letzteres zumindest dann, wenn man sauber und ehrlich arbeitet.

Deshalb sterben Restaurants, auch und gerade aufgrund von völlig abstrusen Pachtvorstellungen der Eigentümer. Man kann sich das tagtäglich auf den Immobilienbörsen im Netz ansehen. Dort liegen Objekte dauerhaft wie Blei herum, weil (zum Glück!) niemand, der bei Verstand ist, ein 200-Quadratmeter-Lokal in drittklassiger Lage für 2.000 Euro im Monat pachtet und auch noch eine hohe fünfstellige Ablöse für das 80er-Jahre-Mobiliar im Gastraum und veraltete Küchentechnik bezahlt.

Liebe Eigentümer: Wenn ihr für eure Gastro-Immobilie einen modernen, engagierten und professionellen Betreiber haben wollt, dann reduziert eure Pacht auf einen realistischen Wert, der auch zu erwirtschaften ist. Und redet eurem Pächter nicht rein bei seinem Konzept, seinen Öffnungszeiten, seinen Preisen. Sonst kriegt ihr nur Amateure, die nach drei Monaten Rosin anrufen.

Vielleicht müssen aber auch Gäste ihr Verhalten gegenüber der Gastronomie überprüfen, wenn sie auch morgen noch schöne, kleine Läden in ihrer Nachbarschaft vorfinden möchten und nicht mehr nur die Filialen der großen Ketten, oder sich wundern, warum es auf dem Land gar nichts mehr gibt.

Wenn unser Lieblingsrestaurant im Ort eines Tages aufgeben sollte, wären wir fassungslos und bestürzt. Aber wenn wir ehrlich sind, müssten wir zugeben, dass auch wir dazu beigetragen hätten, weil wir immer wieder Ausreden hatten, dort nicht Essen zu gehen. Ich lüge mich da raus, weil ich annehme, dass es genug andere Gäste gibt, die diesen tollen Laden regelmäßig besuchen. Aber was, wenn ich mich irre?

Wir haben es jeden Tag selbst in der Hand.



Mittwoch, 7. Februar 2018

„Guter Wille, wenig Wissen“

Der jüngst erschienene, von der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung und dem BUND herausgegebene „Fleischatlas 2018“ ist lesenswert. Er bringt zwar keine wirklich neuen Erkenntnisse, durchstreift aber als fundierte Bestandsaufnahme die Frage, wie wir mit Tieren als Lebensmittel umgehen [1].

"Guter Wille, wenig Wissen": Fleischatlas 2018


Ergebnis: Die Deutschen essen zwar immer weniger Fleisch, aber immer noch viel zu viel. 59 Kilo Fleisch verzehrte der Durchschnittsdeutsche im Jahr 2016. Das ist gegenüber 2011 (knapp 63 kg) nur ein kleiner Rückgang. Und das sind rund 160 Gramm pro Tag und Nase. Zugleich wächst der Exportmarkt. Zum Beispiel nach China. Der Fleischverzicht der Deutschen führt also keineswegs zu einer Einschränkung der Massentierhaltung hierzulande – ganz im Gegenteil. Umdenken sieht anders aus.

Sicherlich auch eine Debatte wert ist das Thema „Nose to Tail“, also der gedankliche Ansatz, dass wir ein Tier, wenn wir es schon töten, es möglichst vollständig verwerten sollten. Richtig daran ist, dass es nicht gut sein kann, wenn für die feierliche Festgesellschaft mit 50 Personen und das Schweinefilet auf dem Buffet ein halbes Dutzend Tiere sterben muss, und der Rest landet dann in der Wurst. Aber wollen wir tatsächlich in Zukunft Nierenzapfen, Euter und Schweineschwanz essen? Nicht ohne Grund hat der Fleischatlas den entsprechenden Artikel mit „Schlachtabschnitte“ überschrieben.

Interessant ist, dass das „Nose to Tail“-Thema dort insbesondere in der Sterneküche verortet wird. Und, ja, tatsächlich, mit den geschmorten Kalbsbäckchen (kein Filet!) befinden wir uns meist in der gehobenen Küche, sie sind landauf, landab auf den Speisekarten feiner Lokale zu finden. Selbst der profane Schweinebauch ziert – kunstvoll zubereitet – Sterne-Menüs. Das ist im Grunde nicht schlecht, vielleicht genau der richtige Weg (und im Übrigen ja auch ein Grundbestandteil der klassischen Kochausbildung). Aber ich sehe keine abstrahlende Wirkung auf die allgemeine Gastronomie, auf das allgemeine Ernährungsverhalten. Überspitzt gesagt: Was nützt es, wenn Sterneköche Schlachtabfälle für 100 Euro verkaufen, der normale Bürger aber sein Schweinefilet weiterhin für Kleingeld beim Discounter kauft? Das ändert gar nichts.

Und wie sieht es bei Gemüse und Obst aus? Die Haushalte in Deutschland haben im vergangenen Jahr im Schnitt 163,7 kg davon in ihre Einkaufskörbe gepackt, teilten die Veranstalter der Messe Fruit Logistica unlängst mit [2]. Bei einer durchschnittlichen Haushaltsgröße von zwei Personen (lt. Statistischen Ämtern) wären das also rund 224 Gramm pro Person und Tag. Das liegt deutlich unter den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung von 625 Gramm pro Tag [3].

Zu viel Fleisch, zu wenig Gemüse. Das ist die schlichte Bilanz. Da hat sich nicht wirklich etwas getan. Warum ist das so? Vielleicht deshalb, weil die Verbraucher zwar theoretisch bereit wären, mehr Geld für Fleisch aus artgerechter (oder sagen wir lieber: lebenswerter) Tierhaltung zu bezahlen, aber verunsichert sind, woran sie das überhaupt erkennen können. Auch dazu liefert der Fleischatlas Fakten. Fast 90 Prozent der Befragten gaben an: „Wenn Tiere für unser Essen sterben müssen, sollen sie vorher gut gelebt haben“. Das ist das Wunschdenken.

Rund 45 Prozent geben aber zugleich an, dass sie nicht wissen „woran ich Fleisch aus artgerechter Haltung erkennen kann“, weitere 33 Prozent sind da unsicher. Und deshalb greifen sie eben doch zum Billigfleisch aus dem Sonderangebot und dann darf’s eben auch gerne etwas mehr sein. Und sie sind sich darüber auch völlig im Klaren: Fast 90 Prozent stimmen der Aussage zu, dass Verbraucher trotz Tierschutz-Wunsch beim Einkauf doch nur auf den Preis achten. So ganz allgemein. Doch für sich selbst geben nur etwa 35 Prozent zu, dass sie beim Fleischeinkauf dann doch „sehr auf Sonderangebote“ achten. „Guter Wille, wenig Wissen“ haben die Autoren diese Statistik überschrieben. Das ist die Realität.

Dabei ist es relativ einfach: Mit dem Bio-Siegel und den Erzeugerverbänden wie Bioland und Demeter gibt es längst etablierte Maßstäbe für nachhaltige Erzeugung und Tierwohl. Aber wenn man dann das Hähnchenbrustfilet im Bio-Laden in der Hand hat, stellt man fest, wie unglaublich teuer das ist. Zu recht. Weniger Fleischkonsum funktioniert nur über deutlich höhere Preise.

Erst dann, wenn die marinierte Kilo-Fleischpackung im Supermarkt für das Grillfest nicht mehr 3,59 Euro kostet, sondern 35,90 Euro – erst dann werden wir umdenken. Das ist die Wahrheit.


[1] https://www.boell.de/de/2018/01/10/fleischatlas-2018-rezepte-fuer-eine-bessere-tierhaltung
[2] https://www.zdf.de/nachrichten/heute/haushalte-geben-etwas-mehr-aus-mehr-obst-und-gemuese-eingekauft-100.html
[3] https://www.dge.de/wissenschaft/weitere-publikationen/fachinformationen/obst-und-gemuese-die-menge-machts/


Montag, 5. Februar 2018

Tolle Teller

Ich kann diese gesprenkelten Keramik-Teller nicht mehr sehen. Weder auf Facebook, noch im Restaurant. Ich finde es viel schöner, Essen auf schlichten, weißen Porzellantellern anzurichten. Die Speise ist der Star, das Geschirr sollte dahinter zurück stehen.