Mittwoch, 21. März 2018

Fingerfood


Im Januar hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) anlässlich der Grünen Woche in Berlin eine Studie vorgestellt, die analysierte, wie gut oder schlecht sich Fernsehköche an Hygieneregeln halten. Es ging darum, aufzuzeigen, dass falsches Verhalten von TV-Köchen auch falsches, also unhygienisches, Verhalten bei Zuschauern fördern könnte. Ergebnis: „In deutschen Kochsendungen machen die Protagonisten im Schnitt alle 50 Sekunden einen Hygienefehler“, hieß es in der Meldung der Deutschen Presseagentur (dpa) dazu. Gesundheitsalarm!

Diese süffige Nachricht wurde sofort in unzähligen Print- und Onlinemedien verbreitet [1] und ist im Netz dutzendfach abrufbar, von allen namhaften journalistischen Adressen bis hin zum Greenpeace-Magazin. Der Inhalt dieser Meldung hat es jetzt auch gerade noch einmal wieder in die Ratgeber-Rubrik von SPIEGEL ONLINE geschafft. [2] 

Eine Meldung und ihre Geschichte. (Screenshot: spiegel.de, Ausschnitt)

Das ist deshalb erwähnenswert, weil diese Meldung angebliche Hygiene-Mängel beklagte, die in Wahrheit gar keine sind. Das könnte man böse „alternative Fakten“ nennen. Oder Fake News. Und das wabert nun fröhlich durchs Netz und wird munter verlinkt und übernommen. Und verunsichert Menschen zuhause und Gäste in Restaurants. Das ist schade.

Denn neben einigen tatsächlich fragwürdigen Arbeitsweisen bemängelten die BfR-Experten besonders häufig auch, „dass mit den Fingern gesalzen oder gewürzt wurde“. Oh! Nein! Igitt! Womöglich fassen Köche auch noch Gemüse oder Fleisch mit den bloßen Händen an?! Ekel-Alarm!

Das ist natürlich völliger Unsinn. Denn selbstverständlich arbeiten – und salzen und würzen – Köche mit ihren Fingern. Ja, womit denn sonst? Mit dem Salzstreuer etwa, so wie zuhause am Frühstückstisch? Natürlich nicht. Ein hygienisches Problem wäre das nur dann, wenn Köche zwischendrin z. B. Geld, Abfälle, Türklinken und Klospülungen anfassen oder die Hände von Gästen schütteln. Dann müssen sie sich natürlich anschließend die Hände waschen. Das lernen angehende Köche in ihren ersten Wochen in der Berufsschule und auch ungelernte Kräfte, wenn sie die Belehrung nach dem Infektionsschutzgesetz absolvieren, die zwingende Voraussetzung für jede Tätigkeit in der Gastronomie ist.

Man kann getrost davon ausgehen, dass Menschen auf TV-Bühnen und vor laufenden Kameras sich anders verhalten als im beruflichen Alltag. In einer Krawallshow von Steffen Henssler Hygiene-Fehler zu beklagen, ist ungefähr so unsinnig wie nach einem Til-Schweiger-Tatort die Ermittlungsmethoden der Hamburger Polizei zu kritisieren.

Zwischenzeitlich hat wohl auch das BfR bemerkt, dass man da gehörig übers Ziel hinaus geschossen ist. In der Pressemitteilung, die zu dieser Studie aktuell auf der Website des BfR abrufbar ist [3], ist vom Salzen mit den Fingern (und auch von noch ein paar anderen angeblichen „Hygieneverstößen“) kein Wort (mehr) zu lesen.

Vielleicht sollte man, anstatt TV-Kochshows zu analysieren, einfach mal nur darauf hinweisen, dass Unterhaltungsfernsehen im Allgemeinen zumeist nicht das wirkliche Leben abbildet. Und TV-Kochshows im Besonderen nicht den Küchenalltag. Zum Glück!



[1] https://www.derwesten.de/kultur/fernsehen/bundesamt-tv-koeche-machen-alle-50-sekunden-hygienefehler-id213176063.html. (Nur eine Quelle von vielen.)
[2] http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/kuechenhygiene-geschirrtuecher-koennen-bakterienschleudern-sein-a-1199020.html
[3] http://www.bfr.bund.de/de/presseinformation/2018/05/kuechenhygiene_im_scheinwerferlicht__beeinflussen_tv_kochsendungen_unser_hygieneverhalten_-203442.html


Sonntag, 11. März 2018

Ach, was.


Das Land Niedersachsen stoppt das „amtliche Hygienesiegel“ für die Gastronomie nach einem sechsmonatigen Modellversuch. Auch NRW macht Schluss damit. Gerade einmal vier Prozent der niedersächsischen Betriebe fanden es sinnvoll, das Siegel (freiwillig) auszuhängen. Aber auch die Gäste hat es nicht sonderlich interessiert. Dabei hatte man sich doch extra ein Siegel ausgedacht, das ganz transparent darstellen sollte, wie sauber man in einem Lokal essen kann. Nämlich dieses hier:

(Fotoquelle: Verbraucherzentrale Niedersachsen [1])


Jaaaaaaa. Da erkenne ich als Gast auf den ersten Blick, ob das Essen in diesem Lokal hygienisch gekocht wird. Kleiner Scherz. Loriot hätte gesagt: „Ach, was.“


Man kann nicht ernsthaft erwarten, ein Hygiene-Siegel zu etablieren, das dermaßen kompliziert – um nicht zu sagen – unverständlich ist. Kein Wunder, dass weder Gastronomen noch Gäste sich dafür nennenswert interessierten. Das ist kein Siegel, sondern die grafische Visualisierung aus der Magisterarbeit eines angehenden Ökotrophologen.

Und, nur nebenbei: Welcher Gastwirt hängt sich schon freiwillig eine Skala ins Schaufenster, auf der der zentrale Begriff „Hygienemangelpunkte“ heißt? Eben.

Gäste dürfen darauf vertrauen, dass in Gastro-Betrieben die Hygiene-Vorschriften eingehalten werden. Basta. Dafür gibt es die Lebensmittel-Kontrolle, und das ist gut so. Was wir bestimmt nicht brauchen, sind noch weitere, merkwürdige und schwer nachvollziehbare Bewertungssysteme. Davon gibt es schon mehr als genug.

[1] https://www.verbraucherzentrale-niedersachsen.de/themen/ernaehrung-lebensmittel/produktion/das-hygienebarometer-fuer-gastronomie-startet-niedersachsen




Donnerstag, 8. März 2018

Unlauterer Wettbewerb


Es ist ja schön, dass junge, engagierte Läden mit frischen Angeboten die Gastro-Szene unserer kleinen Stadt bereichern. Keine Frage. Nichts gegen Konkurrenz. Nichts gegen einen fairen Wettbewerb. Aber ist es zu viel verlangt, dass sich alle in der Branche bitte einfach auch an die Regeln halten?

Könnte bitte, bitte, mal irgendjemand diese wohlmeinenden Anbieter darüber informieren, dass es nicht erlaubt ist, mit „Bio“ zu werben, wenn man als Betrieb nicht offiziell zertifiziert ist? Diese Regel hat den Sinn, Gäste davor zu schützen, dass jeder nach Lust und Laune sich mit „Bio“-Bezeichnungen einen Vorteil verschaffen kann, ohne dass die Kunden dies überprüfen können bzw. einen offiziellen Beleg hierfür haben. Diese Vorschrift gilt für die Gastronomie schon seit 2003! [1]


Einfach nicht erlaubt: "Bio" ohne Zertifikat. (Foto: Facebook)

Das Bundeszentrum für Ernährung, das dem Bundeslandwirtschaftsministerium untersteht, erklärt es so: „Freiwillige Ergänzungen dürfen auf der Speisekarte oder in Aushängen in der Regel gemacht werden, sofern sie nicht irreführend sind. Für einige Werbeaussagen gelten allerdings besondere Regelungen: So sind etwa die Begriffe „bio“ und „öko“ gesetzlich geschützt und sind für die Lebensmittelwerbung nur erlaubt, wenn der Hersteller die Kontrollpflichten und sonstigen Anforderungen nach dem europäischen Bio-Recht erfüllt.“ [2]


Das ist vergleichbar mit geschützten Bezeichnungen wie „Wiener Schnitzel“. Das muss aus Kalbsfleisch gemacht sein. Wenn ich stattdessen Schwein verwende, muss ich es zum Beispiel „Schnitzel Wiener Art“ nennen. Dasselbe gilt für geschützte regionale Bezeichnungen wie Parmesan. „Grana Padano“ ist zwar auch italienischer Hartkäse, aber eben kein Parmesan. Denn der muss mindestens 12 Monate gereift sein (und nicht nur neun), damit er sich so nennen darf. Und er stammt aus einem deutlich kleineren Herkunftsgebiet. Deshalb ist er erheblich teurer. [3]


Die Bio-Zertifizierung bedeutet viel Bürokratie, viel Aufwand und nicht zuletzt viel Geld. Das alles sparen sich die, die (hoffentlich) unwissend mit „Bio“ auf ihren Speisenkarten und auf Facebook werben. Das ist schlicht und einfach unlauterer Wettbewerb.

  
[1] https://www.dehoga-bundesverband.de/fileadmin/Startseite/05_Themen/Bio/Broschuere_Bio_mit_Brief_und_Siegel-2007.pdf
[2] https://www.bzfe.de/inhalt/kennzeichnung-auf-speisenkarten-1879.html
[3] https://www.bzfe.de/inhalt/parmesan-oder-grana-padano-28272.html