Dienstag, 26. Juni 2018

Streichfähiges Wasser


Die Wurstfabrik „Rügenwalder Mühle“ will bis 2020 rund 40 Prozent ihres Umsatzes mit vegetarischen bzw. veganen Produkten machen. 2017 machten vegetarische Produkte bereits rund 25 Prozent des Umsatzes aus. „Wir sind davon überzeugt, dass vegetarische/vegane Alternativen mehr als ein Trend sind und weiter an Bedeutung gewinnen – vor allem auch vor dem Hintergrund der immer drängender werdenden Klimaproblematik“, sagt „Rügenwalder“-Geschäftsführer Godo Röben [1].

Das könnte man jetzt begrüßen.

Wer allerdings glaubt, auch sich selbst Gutes zu tun, indem er/sie auf die vegetarischen oder veganen Fleischersatzprodukte zurückgreift, der sollte mal einen Blick auf die Zutatenliste dieser Produkte werfen. Denn um diesen Kunstprodukten irgendwie Geschmack und das vertraute Fleisch-Feeling zu geben, greift die Lebensmittelindustrie tief in die Trickkiste.

So enthält die vegane „Pommersche“ (Leberwurst-Imitat) insgesamt 15 verschiedene Zutaten (Schnittlauch der Vergleichbarkeit halber mal nicht mitgezählt), darunter - im Gegensatz zu der „echten“ Leberwurst – auch zugesetzte Aromen und Farbstoff. Aber das Beste ist: Die an erster Stelle genannte Zutat ist: Wasser.

Mit anderen Worten: Diese vegane Leberwurst ist streichfähiges Wasser mit Wurstaroma und Farbstoff.

Streichfähiges Wasser: Vegane Leberwurst. (Fotoquelle: Hersteller)


Das gleicht dann nämlich den Anteil von 73% Schweinefleisch und Leber aus, der in der „echten“ Leberwurst enthalten ist. Die kommt immerhin noch auf 11 Zutaten, neben Fleisch, Leber und Speck also acht.

Fleisch, aber ohne Aromen und Farbstoff (Fotoquelle: Hersteller)


Zum Vergleich: Eine Bio-Leberwurst (Ökoland) kommt neben Fleisch/ Leber und Speck gerade einmal mit fünf weiteren Zutaten aus, und das sind Sahne, Salz, Gewürze, Rohrzucker und Dextrose. Ja, über die letzten beiden könnte man maulen, aber ansonsten ist das eine ehrliche Wurst, nach Bioland-Kriterien produziert. Tiere in lebenswerter Haltung. Das ist erheblich besser als industriell versaute Ersatzprodukte.

Ehrliche Wurst. (Bildquelle: oekoland.de)


Mit aromatisiertem, streichfähigen Wasser lässt sich natürlich trefflich Geld verdienen. Und die „Rügenwalder Mühle“ dürfte sich freuen, dass so viele Kunden auf ihren Veggie-Trick hereinfallen. Ob das allerdings wirklich fruchtet, ist zumindest fraglich. Denn immerhin sank der Umsatz der „Rügenwalder Mühle“ in 2017 – trotz Veggie-Offensive - um rund drei Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr.


[1] http://www.haz.de/Nachrichten/Wirtschaft/Niedersachsen/Wursthersteller-Ruegenwalder-Muehle-will-vegetarischer-werden


Sonntag, 24. Juni 2018

„Ohrfeige mit Ansage“


Zu viel Nitrat im Boden: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg hat vergangene Woche entschieden, dass Deutschland über Jahre hinweg zu wenig gegen eine Überdüngung der Landwirtschaft mit Gülle und die daraus folgende Verunreinigung des Grundwassers mit Nitrat unternommen hat [1]. Besonders in Niedersachsen gerät die Politik dadurch unter Druck. Strafzahlungen drohen.

„Die Verurteilung Deutschlands durch den Europäischen Gerichtshof ist eine Ohrfeige mit Ansage für die deutsche Landwirtschaftspolitik“, sagt Martin Weyand, Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft [2]. „Das Urteil bestätigt die bisherigen Einschätzungen der Wasserwirtschaft. Im Unterschied zu anderen EU-Mitgliedstaaten ist die EU-Nitratrichtlinie in Deutschland auch 25 Jahre nach Inkrafttreten nicht umgesetzt worden. Auf den permanenten Bruch europäischen Rechts kann in Deutschland niemand stolz sein“.

Nitrat in Gewässern (und im Grundwasser) stammt zumeist aus Gülle in der Landwirtschaft. Der Stoff ist wichtig für das Pflanzenwachstum. Aber wenn zu viel gedüngt wird, sammeln sich Rückstände an. So entsteht giftiges Nitrit. Besonders in Regionen mit Massentierhaltung fällt mehr Gülle an, als die Pflanzen auf den Feldern aufnehmen können. In Niedersachsen bekommt vor allem die Region Weser-Ems die Belastung des Grundwassers nicht in den Griff [3]. Gerade einmal zwei Prozent (!) der Oberflächengewässer in Niedersachsen erreichen nach Angaben des jüngsten Nährstoffberichts des Landes die EU-Vorgaben [4]. Das ist haarsträubend.

Und wie reagieren die Verantwortlichen? Sie tun – nichts.

Denn das Urteil des EuGH bezieht sich – wie praktisch –  auf Versäumnisse vor 2014. Darauf reden sich jetzt der Bauernverband, Landvolk, Agrarministerin Julia Klöckner (CDU), ihre niedersächsische Amtskollegin Otte-Kienast (CDU) und andere heraus. Sie verweisen darauf, dass ja seit vergangenem Jahr hierzulande ein neues Düngerecht gilt, das alles besser mache. Man solle doch jetzt erst mal abwarten, dass das neue Recht Wirkung zeige, heißt es.

Umweltschützern stinkt's: Überdüngung mit Gülle (Fotoquelle SPIEGEL.DE)


Experten sind da allerdings gänzlich anderer Meinung. Der Kieler Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube sagte dem SPIEGEL [5]: „In der Summe bringt das aber keine Veränderungen. Es gibt dort fast überall weiche Formulierungen, die Auflagen werden nie konkret; selbst eine dreifache Überschreitung der Grenzwerte lässt sich mit etwas Geschick schönrechnen.“ Die schlimmste Sanktion, so Taube, sei, dass der Landwirt sich beraten lassen müsste. Und dann habe er wieder seine Ruhe. „Ein stumpfes Schwert“, so sein Fazit zur neuen Düngeverordnung.

Man beachte: Das neue Düngerecht schreibt unter anderem größere Behälter vor, damit die Bauern „die Gülle nicht nur aus Platzmangel“ [6] auf die Felder bringen. Agrarexperte Tauber: „So haben viele Landwirte während der aktuell herrschenden Trockenheit munter weitergedüngt, als könnten sie in diesem Jahr Höchsterträge erwarten. Damit werden die Nitratüberschüsse im Grundwasser noch mehr steigen.“

So ist es nur eine Frage der Zeit, bis es die nächste Klage der EU-Kommission gibt. Und das nächste EuGH-Urteil.

Bis dahin sickert das Nitrat weiter in den Boden und bedroht das Trinkwasser. Fließt weiter in die Meere und führt dort zu Algenpest. Oder gelangt als Ammoniak oder Lachgas in die Atmosphäre. „Lachgas ist ein extremes Klimagas“, sagt Agrarwissenschaftler Taube, „300-fach wirksamer als Kohlendioxid.“ Allein in Deutschland entstünden durch diese Überdüngung pro Jahr Schäden in Höhe von fünf Milliarden Euro.

Nein. Wir können nicht mehr länger abwarten.


[1] https://www.tagesschau.de/inland/nitrat-eugh-103.html
[2] https://www.bdew.de/presse/presseinformationen/deutschland-drohen-milliarden-strafzahlungen/
[3] http://agrarwende.de/massentierhaltung.html
[4] https://www.ml.niedersachsen.de/themen/landwirtschaft/ue_pflanzen_und_duengemanagement/naehrstoffbericht/naehrstoffbericht-132269.html
[5] SPIEGEL, # 26/2018, S. 99
[6] Hannoversche Allgemeine Zeitung, 22.6.18, S. 1


Dienstag, 19. Juni 2018

Mutlos


Gestern war der „Tag der nachhaltigen Gastronomie“, ausgerufen von den Vereinten Nationen [1]. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) hat aus diesem Anlass dazu aufgerufen, beim Essengehen die Reste einpacken zu lassen, damit keine Lebensmittel weggeworfen werden müssen. Denn: „Jedes Lebensmittel, das wir wegwerfen, ist eins zu viel.“ [2] Das ist fraglos richtig. Und ja, richtig ist sicherlich auch, dass die Gastronomie ein Bewusstsein entwickeln muss, etwas gegen die Verschwendung von Lebensmitteln zu unternehmen.



Nur leider ist das überhaupt nicht das Problem.

Denn: Sich die Reste eines leckeren Essens einpacken zu lassen, das ist in sehr vielen Lokalen längst üblich – und übrigens ja auch immer ein Kompliment an die Küche. Denn wer nimmt schon den Rest der Burger-Pommes-Pampe bei der Fastfoodkette mit nach Hause. Das entsorgt man im Rausgehen im Mülleimer. Das sagt ja alles über die Wertschätzung für das Essen.

Wer es mit Nachhaltigkeit in der Gastronomie ernst meint, müsste gegen diese Missstände vorgehen:
  • XXL-Schnitzel
  • All-you-can-eat-Buffets
  • Speisenkarten mit 125 Positionen drauf
  • 24/7-open-Restaurants
  • To-go-Verpackungen aus Alu und Styropor

Und er müsste gegen das vorgehen, was derlei fragwürdige Angebote überhaupt erst möglich macht: Massentierhaltung und industrielle Landwirtschaft. Denn das macht es wiederum Gastronomen möglich, ein Angebot vorzuhalten, von dem sie vorher schon wissen, dass sie einen großen Teil davon wegschmeißen müssen, und sie machen trotzdem noch ihren Schnitt. Kostet ja nix. Aber der Gast hat eine schön große Auswahl auf der Karte. Das ist falsch.

Hier versucht eine Landwirtschaftsministerin, mit Nachhaltigkeitsrhetorik ein grünliches Wählerspektrum zu umgarnen, ohne auch nur irgendetwas wirklich zu ändern. Wie schon beim „Tierwohl-Label“. Das passt perfekt zur Politik der Kanzlerin.

Wer wirklich etwas ändern will, muss sich leider mit denen anlegen, die davon profitieren, dass die Dinge so sind, wie sie sind.

Alles andere ist einfach nur mutlos.

[1] http://www.un.org/en/events/sustainablegastronomy/
[2] https://twitter.com/bmel/status/1008587728731213824