Montag, 4. Dezember 2017

Ich bin für Glyphosat

Ich bin für Glyphosat. Ich bin für die massenhafte und flächendeckende Bestäubung der Felder mit chemikalischen Mitteln, für die hemmungslose Ausbeutung der Natur zum Zwecke preiswerter Lebensmittel, ich bin für das Bienensterben, die Ausrottung der Schmetterlinge und die komplette Vernichtung des Feldhamsters.

Ich bin für Glyphosat. So. Vielleicht regt das wenigstens noch einen auf.

Denn gegen Glyphosat sind ja alle, oder zumindest so viele, dass einige darunter sind, mit denen ich ums Verrecken nicht einer Meinung sein kann. Die Umweltverbände, die Grünen, die Linken, die Roten und sogar die Schwarzen (bis auf einen), die Bio-Bauern sowieso, die Naturheilkundler und Heilpraktiker, die Yoga-Lehrerinnen und Paar-Therapeuten, die Oberstufenlehrer und die Soziologiestudentinnen, die Journalisten und die Blogger, die freie Theatergruppe und der Schülerrat, PETA statt Feta.

Oh, diese Entrüsteten! Und am Samstagvormittag fährt die Anwaltsgattin mit dem Cayenne zum Hofladen und mäkelt am Gemüse herum. Und der pensionierte Oberstudienrat schwenkt noch einmal den kostspieligen Rotwein im Kristallglas vor der ausladenden Bücherwand und findet die Gesamtsituation bedenklich. Ach, böses Glyphosat! Selbst der Filial-Bäcker im Supermarkt bewirbt mit einem riesigen „Kein Glyphosat“-Schild seine Backwaren. Und wir selbst gehören natürlich auch dazu. Wir haben doch alle jahrelang komplett verdrängt, dass wir Glyphosat verdanken, dass unser Gemüse so schön billig ist.

Ich höre sie lachen in den Konzernzentralen der Hersteller der anderen rund 250 zugelassenen Wirkstoffe für das Naturvernichten, deren Mittel teurer und weniger erforscht sind: „Hey, da kriegt Monsanto ja so richtig was auf die Mütze! Wo ist der Sekt?“ Stößchen.

Wenn alle diese Bescheidwisser nicht gegen ein einzelnes Pestizid, sondern gegen die allgemeine chemische Verseuchung der Landwirtschaft und für einen nachhaltigen Wandel unserer Einkaufs- und Essgewohnheiten auf die Straße gehen, wenn sie tatsächlich ihr Gemüse nicht mehr im Discounter sondern im kleinen Bioladen, so es ihn noch gibt, kaufen, wenn sie sich kümmern um das, was in ihrem Essen ist, woher es kommt und wie es zubereitet wird, wenn sie kapieren, wie Lebensmittelpreise zustande kommen und warum Fleisch und Gemüse allerorten so saubillig zu haben ist.

Dann werde ich gegen Glyphosat sein.

Frei nach: Heinz Rudolf Kunze „Ich bin gegen den Frieden“ (Sprechtext 1984).


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