Mittwoch, 1. Februar 2017

Auf den Leim gegangen

Food-Bloggerin Graziella kann sich kaum noch einkriegen. „Der Kochkurs war einfach super, wir hatten viel Spaß und konnten die Lebensmittel von enerBiO sehr gut kennenlernen. Die Qualität der Produkte hat mich voll überzeugt und die Auswahl ist enorm.“ Und „die Location war auch total schön“.
Auch Rebecca (Blog „Baby Rock my Day“) ist ganz hin und weg: „Die hauseigene Marke ist nicht nur Bio, sondern hat auch viele vegane, gluten- und laktosefreie Produkte im Angebot. Und nicht nur das, die Produktpalette umfässt“ [Autsch!] „ca. 330 verschiedene Produkte.“ Alles total supi hier.
Die Fakten:
Die Social-Media-Abteilung eines großen Drogerie-Unternehmens aus der Nähe von Hannover lud ein Dutzend Food-Bloggerinnen für ein Wochenende zu einem Event ein. Inklusive Übernachtung in einem hochpreisigen Landhotel in Garbsen, Kochkurs in einem Restaurant am Maschsee, Fotoshooting-Tipps vom Profi und allerlei mehr. Alles nicht ganz billig. Bezahlt vom Drogisten.
Zum Abschied gab es noch das Geschenk-Körbchen mit Produkten zum Mitnehmen. Bezahlt vom Drogisten.
Die vielen schicken Fotos vom Event, die auf den Blogs munter weiterverbreitet wurden, stammen nicht etwa von den Bloggerinnen selbst, sondern von einem gebuchten Profi-Fotografen. Bezahlt vom Drogisten.
Frage: Warum hat der Drogist das denn wohl alles bezahlt?
Vielleicht deshalb, weil die Bloggerinnen danach ganz brav die präsentierten Produkte in ihren Blogs abfeierten (und sie z. T. sogar noch direkt zum Online-Shop verlinkten)?
Durch solche Blog-Berichte wird die Relevanz von Produkten bestimmter Unternehmen künstlich verstärkt. Im echten Leben spielt das Bio-Angebot einer Drogerie-Kette nämlich zunächst keine besonders große Rolle für das Einkaufsverhalten. Weil die Leute ihre Bio-Lebensmittel in Bio-Läden oder -Fachmärkten kaufen, vielleicht auch im Supermarkt, aber bestimmt nicht im Drogerie-Markt. Dort kauft man Klopapier und Zahnpasta. Da das aber den Drogerie-Discountern nicht genügt, wittern sie ihr Geschäft auf fremden Feldern. Zum Beispiel bei Bio-Produkten. Und mit entsprechenden, sehr professionell organisierten Veranstaltungen für Food-Bloggerinnen (komisch: kein männlicher Blogger dabei) wird so eine scheinbare Relevanz erzeugt.
Diese Blogs tragen dann dazu bei, die Einkaufsgewohnheiten von Menschen umzuleiten. Es profitieren die Ketten und die Discounter. Wollen wir das?
Das Vermögen dieses Drogisten wird auf etwa zwei bis drei Milliarden Euro geschätzt. Damit kein Missverständnis entsteht: Es geht mir nicht um Milliardär-Bashing. Das wäre billig. Ich gönne dem Drogisten jeden Euro. Es ist legal und legitim, dass das Unternehmen versucht, mit den Möglichkeiten von Social Media seinen Umsatz zu erhöhen.
Nur: Man muss ja nicht dabei mitmachen.
Man hätte die Einladung des Drogisten auch einfach ablehnen können. Um die eigene Integrität zu wahren.
Vielleicht haben es einige ja auch getan. Und haben nicht darüber gebloggt, sondern sich einfach nur mit dem Finger an die Stirn getippt.
Das bleibt dann allerdings im Netz unsichtbar.


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