Sonntag, 19. Februar 2017

Vegan in Limburg

Eine Veganerin in Limburg hat sich bei der Stadt darüber beschwert, dass im täglichen Glockenspiel einer Kirche auch die Melodie von „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ erklingt. Insbesondere an der Liedzeile „Sonst kommt dich der Jäger holen, mit dem Schießgewehr“ hat sie sich gestört. Oder, besser gesagt, an der Stelle im Lied, wo in der gesungenen Version der Jäger vorkommt. Denn das Glockenspiel ist natürlich rein instrumental. Also doch irgendwie vegetarisch.

Wie dem auch sei: Bürgermeister Marius Hahn hat den Fehler gemacht, diese Wortmeldung sehr, sehr ernst zu nehmen und tatsächlich das Lied aus dem Repertoire zu nehmen, zumindest vorübergehend. Und irgendwer hat’s im Netz ausgeplaudert. Folge: Die Medien von Süddeutsche.de über Spiegel bis zur Huffington Post hatten eine leckere Schlagzeile und berichteten genüsslich. Und viele andere mehr, die abgeschrieben haben. Und die sozialen Medien blubberten über.

Wieder mal ein Fall von künstlich erzeugter Relevanz in der öffentlichen Wahrnehmung. Normalerweise hätte dieses „Ereignis“ niemals die Stadtgrenzen von Limburg verlassen, ja nicht einmal die Mauern des Rathauses dieser Stadt. Es wäre bestenfalls beerdigt worden in einer Montag-Morgen-Arbeitsbesprechung eines Bürgermeisters mit seinem Pressereferenten. Oder etwas in der Art. Ganz bestimmt aber hätte sich das im echten Leben niemals bundesweit verbreitet und hätte – ob seines armseligen Nachrichtenwertes – die Aufmerksamkeit von sehr vielen unschuldigen Menschen auf sich gezogen. Aber das Bizarre findet ganz schnell seinen Weg.

Generationen von Journalistenschülern wurde die Weisheit eingetrichtert, dass die Meldung „Hund beißt Mann“ keine Nachricht ist, die Meldung „Mann beißt Hund“ aber sehr wohl. Das könnte ein Grund sein.

Ich weiß nicht, wer mir jetzt mehr leid tut: Die arme Veganerin oder der Bürgermeister, die sich beide jetzt dem geballten Spott der Online-Öffentlichkeit ausgesetzt sehen. Oder wir, die wir unablässig mit belanglosem Info-Schrott belästigt werden. Was uns Lebenszeit kostet und uns Aufmerksamkeit raubt für Dinge und Menschen, die es verdient hätten.


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