Donnerstag, 18. Januar 2018

Die unglückliche Pute

Putenfleisch ist beliebt, weil es als besonders mager, also fett- und kalorienarm gilt, und deshalb wird z. B. der Aufschnitt von der Putenbrust auch gerne der Hähnchenbrust vorgezogen, gerade von Frauen, die sich bewusst ernähren möchten. Gerne dann auch in Bio.

Das ist Unsinn und leider ein großes Missverständnis. Denn der Fett- bzw. Kaloriengehalt von Puten- und Hähnchenbrust ist nahezu identisch. Und wenn uns auch nur irgendwas am Tierwohl liegt, dann müssen wir die Finger von Putenfleisch lassen.

Denn die Pute ist – vor allem hierzulande – eine echte Qualzüchtung. Dieses Geflügel wird gezielt auf Körpermasse an Brust und Keule gezüchtet, „Hochleistungs- und Hybridrassen“ nennen das die Züchter, und das arme Tier kommt dann mit seinem Eigengewicht überhaupt nicht klar. Die Folge ist: Dicker Körper auf zerbrechlichen Beinen. Hinzu kommt, dass die Pute in unseren Breiten nicht heimisch ist. Denn der Truthahn stammt ursprünglich aus Mittelamerika, er mag es warm, er fühlt sich nicht besonders wohl im wechselhaften, kühlen deutschen Klima. Die Folge sind allerlei Krankheiten, die mit Medikamenten bekämpft werden müssen.

Die Pute hat in unserer Tierhaltung und auf unserem Speisezettel nichts verloren.

Und Bio-Pute funktioniert erst recht nicht. Denn diese empfindlichen Rassen, die auch in der Bio-Zucht im Einsatz sind, kommen gerade mit der Freilandhaltung nicht gut zurecht. Schon Jungtiere benötigen Futter mit sehr hohem Eiweißgehalt, um zu überleben, erwachsene Puten werden aggressiv oder krank, wenn sie zu wenig Eiweiß im Futter haben. Da behelfen sich konventionelle Züchter mit künstlichen Eiweißbausteinen. Das ist Bio-Züchtern aber nicht erlaubt. Die Folge: Bio-Puten leiden unter anderem an Entzündungen, Skelett- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Verhaltensstörungen. Artgerechte Haltung sieht anders aus.

Deshalb hat beispielsweise der Bio- und Demeter-Betrieb Bauckhof in der Lüneburger Heide seine Putenhaltung aus ethischen Gründen fast völlig aufgegeben, da er erkannt hat, dass auch „in der ökologischen Tierhaltung die zur Verfügung stehenden Hybridrassen (…) einseitig auf Leistung wie beispielsweise Fleischansatz gezüchtet worden (sind), ohne Rücksicht auf die Tiergesundheit.“ [1] Das Fazit: „Es fehlen robuste Putenrassen für die ökologische Geflügelhaltung.“ Hut ab vor so viel Ehrlichkeit und Konsequenz!

Unser heimisches Geflügel ist das Hähnchen. Und eben nicht die Pute. Und das Hähnchen (und seine köstlichen Eier!) gibt es aus lebenswerter Freilandhaltung. Vom Bioland-Hof aus der Region. Kann man sich drum kümmern, wenn man es ernst meint.

[1] https://www.bauckhof.de/de/allgemein/landbauforschung/projekt-bio-pute.html


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