Sonntag, 1. Oktober 2017

Alles nur gelogen?

"Wir waren total unzufrieden". Der Salat war labberig, das Brot alt, die Preise sowieso zu hoch, und eigentlich war alles Mist.
So. Da steht nun also eine solche – Monate alte - doofe Kundenbewertung als erste ganz oben auf einem Facebook-Profil eines Lokals, obwohl es ansonsten jede Menge freundlichere, aktuellere  Bewertungen gibt. Und bleibt da oben. Liest jeder zuerst. Dumme Sache. Kriegt man auch nicht weg.  
Ist nicht mein Lokal, dieses Beispiel. Ich möchte nicht tauschen mit den Betreibern.

Das kommt davon, wenn man seine öffentliche Wahrnehmung von Facebook abhängig macht. Es ist ziemlich unklug, sich als Gastronom der Macht von Facebook & Co. auszuliefern. 
Warum? Darum:

1.
Alle lechzen nach den Chancen, die Facebook vermeintlich bietet (ganz viele Likes!! Suupii!!), aber keiner kennt die Algorithmen, nach denen Facebook gewichtet und sortiert. Und dann schlagen blöde Bewertungen ein, die man nicht mehr weg bekommt. 
2.
Online-Bewertungen sind fragwürdig. Gäste kommen mit unterschiedlichen Erwartungen. Manchmal passen die Erwartungen einfach nicht zum Konzept des Lokals. Falsches Speisenangebot, falsches Preisniveau; da wird bio mit vegetarisch oder allergiefrei verwechselt; und warum gibt es keine Soja-Milch zum Kaffee? Na ja, das haben wir ja auch nicht angeboten. Früher wären diese Gäste einfach nicht wieder gekommen. Heute hinterlassen sie dann vielleicht eine böse Online-Kritik. Dabei haben sie sich einfach nur verlaufen. Klassisches Missverständnis. Die schlechte Bewertung aber bleibt. Und schadet.
3.
Fast alle Online-Bewertungen sind unprofessionell. Wenn professionelle Tester, z. B. Restaurant-Kritiker von Zeitungen testen, dann haben sie zumeist nachvollziehbare Kriterien, nach denen sie testen. Indem sie etwa ein Lokal an seinen eigenen Ansprüchen messen. Heißt: Wer viel verspricht, muss das auch halten können. Und das lässt sich dann auch überprüfen und entsprechend bewerten. Das ist bei den vielen selbsternannten Online-Kritikern nicht der Fall. Denn dort wird oft nur das Erlebte mit dem persönlichen Geschmack und Empfinden verglichen und daraus ein Urteil gefällt. Das ist keine ernst zu nehmende Kritik, die es verdient hat, massenhaft verbreitet zu werden, sondern einfach nur eine einzige persönliche Meinung, die auch gerne zuhause bleiben dürfte.
4.
Viele positive Bewertungen sind Gefälligkeitsbewertungen. Gerade dann, wenn unmittelbar nach einer sehr kritischen Bewertung plötzlich - welch Wunder - ein paar ganz entzückende Bewertungen eintrudeln - ja, was ist denn da passiert? Mal schnell ein paar Leute kontaktet, könnt ihr nicht mal, und so. Und flugs ist die Quote wieder bei 98,8 Prozent. 
5.
Genauso gefälscht sind oftmals negative Bewertungen. Weil sie beispielsweise von Wettbewerbern stammen. Es ist ja ein Leichtes, an jeder Speise irgendwie herumzumäkeln. Und natürlich erkennt man bei manchen Bestellungen sofort, dass das nicht ein normaler Gast ist, sondern offenbar die Konkurrenz ein Testessen abholt. Das ist im Prinzip kein Problem. Nur falls dann noch eine miese Bewertung abgegeben wird, ist das Maß des gesitteten Wettbewerbs eindeutig überschritten. 
6.
Was soll man davon halten, wenn Betreiber von Läden selbst tolle Bewertungen für ihre eigenen Dependancen abgeben? Und das dann auch noch unter dem eigenen Namen. Das gibt es tatsächlich, und das ist ja schon wieder erfrischend ehrlich bekloppt.
7.
Die Überzeugungsarbeit für meine Gäste findet in der Küche statt und nicht bei Facebook.
8.
Ich bin mit meinem Lokal nicht bei Facebook, nicht bei Twitter, nicht bei Instagram. Ganz bewusst. Leben ohne Hashtag. Und ich fahre gut damit. Ich hege und pflege eine eigene Homepage, auf der meine Gäste alle relevanten Informationen bekommen. Und anders als bei Facebook & Co. behalte ich die Kontrolle darüber, was auf meiner Seite steht. Ich mag das.
9.
Hashtags wie zum Beispiel „#unfassbarlecker“ sind nur peinliches Eigenlob, das gewaltig müffelt. Vielleicht überlassen es wir doch lieber unseren Gästen, unsere Leistung zu beurteilen. Der „Applaus des abgeleckten Tellers“ (Christian Rach) ist immer noch mehr wert als jede Online-Bewertung.
10.
Fazit: Kundenbewertungen im Netz - gerade bei Facebook - haben nur eine sehr begrenzte Aussagekraft. Vielleicht sollte man einfach auf persönliche Empfehlungen aus dem Freundeskreis vertrauen, wo man vielleicht mal ganz gut essen gehen könnte. 

Ich weiß, das ist ein unglaublich altmodischer Vorschlag. 
Aber einen Versuch ist es wert. 


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