Niemand, der bei Verstand ist,
kann heute noch ignorieren, dass es einen beträchtlichen Anteil an Gästen in
der Gastronomie gibt, der sich vegetarisch ernähren möchte. Zwar ist das immer
noch eine Minderheit, offenbar auch kleiner, als man gemeinhin denkt, aber, je
nach Art der Gastronomie und Zielgruppe, ein wichtiger bis unverzichtbarer Faktor.
Warum werden dann gerade in der
gehobenen Gastronomie Vegetarier so sträflich vernachlässigt? Wenn man sich
Menükarten anschaut, sind es immer noch der Sous-Vide-gegarte Schweinebauch
oder das geschmorte Kalbsbäckchen, das da punkten will. Überzeugende
vegetarische Menüs sind die Ausnahme. Der Vegetarier (meist wohl eher die
Vegetarierin) sitzt am Katzentisch. Und dann kommt ein junges, ziemlich
ambitioniertes Restaurant in unserer kleinen Stadt auch noch ausgerechnet mit
Hummer und Kaviar um die Ecke und nennt das auf Facebook „Klassiker“. Das ist
nicht euer Ernst.
Liebe Köche und Gastronomen:
Fragt ihr euch eigentlich gar nicht, wieso in den Szenevierteln eurer Stadt
vegane Burger-Läden aufpoppen wie Pilze bei Regen und Ketten wie Dean &
David den Durchmarsch machen mit ihrem ziemlich plumpen Fresh- und
Green-Feeling? Aber die nehmen Vegetarier(innen) ernst! Ja, das hat mit Kochen
natürlich nicht viel zu tun. Aber habt ihr mal im Bankenviertel von Frankfurt
am Main zur Mittagszeit gesehen, wer wohin essen geht? Eben.
Und ihr kocht stoisch weiter
eure Kalbsbäckchen. Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, ob es nicht oft die
vegetarisch orientierten Frauen sind, die heute die Entscheidung darüber
treffen, wo essen gegangen wird? Hey, wir haben 2017!
Das alles könnte auch damit
zusammenhängen, dass Köche in ihrer Ausbildung zwar lernen, wie man ein halbes
Schwein fachgerecht zerlegt und die Bestandteile zubereitet, aber meistens leider
nicht, wie man aus vegetarischen Zutaten ein vollwertiges Essen kreiert. Außerdem
ist es natürlich viel einfacher, eine fünf- bis siebengängige Menüfolge zu gestalten,
wenn man Fleisch und Fisch benutzen darf. Beim vegetarischen Menü geht einem
spätestens nach dem dritten Gang (Gemüse, dann Gemüse, und dann noch Gemüse…)
die Luft aus. Ja, geht mir auch nicht anders. Aber genau das müsste doch die
Herausforderung sein, oder irre ich mich? Die Nachfrage ist fraglos sehr groß.
Und nur nebenbei: Wenn ich als
Vegetarier(in) aus einem Sieben-Gänge-Menü die beiden fleischigen oder
fischigen Gänge weglasse, kann ich dann eigentlich sicher sein, dass ich
wirklich vegetarisch esse? Sind die Gelees und andere entzückende Kleinteile
auf dem Teller nicht oft mit Gelatine gebunden? Wird da in der Küche z. B.
Agar-Agar verwendet, also ein vegetarisches Geliermittel? Das ist etwas
schwieriger zu handhaben als Gelatine (auch bei Desserts), die ist schön
einfach, aber leider eben nicht vegetarisch. Das mag man jetzt pingelig finden.
Oder auch nicht.
Bei allem Respekt, ihr jungen,
ambitionierten Köche: Tischt doch mal ein vollwertiges vegetarisches Menü auf,
das wirklich beeindruckt, bezaubert und auf ganzer Linie überzeugt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen